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Erwin Schrödinger - <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Leben</strong>? 113<br />
verkehrt. Das <strong>ist</strong> freilich eine etwas phantastische Darstellung,<br />
die vielleicht weniger zu einem Mann der Wissenschaft als<br />
zu einem Poeten paßt. Es bedarf keiner dichterischen Vorstellungskraft,<br />
sondern nur klarer und nüchterner wissenschaftlicher<br />
Überlegung, um zu erkennen, daß die gesetzmäßige und<br />
ordnungsgemäße Abwicklung dieser Vorgänge von einem ganz<br />
anderen »Triebwerk« bestimmt wird als vom »Wahrscheinlichkeitsmechanismus«<br />
der Physik. Denn es <strong>ist</strong> ganz einfach eine<br />
Beobachtungstatsache, daß das leitende Prinzip in jeder Zelle<br />
in einer einzigartigen Atomverbindung verkörpert <strong>ist</strong>, die<br />
nur in einem oder hin und wieder in zwei Exemplaren vorhanden<br />
<strong>ist</strong>. Es <strong>ist</strong> ebenfalls eine Beobachtungstatsache, daß<br />
die von dieser Atomverbindung verursachten Vorgänge in<br />
mustergültiger Ordnung ablaufen. Es <strong>ist</strong> gleichgültig, ob wir<br />
es erstaunlich oder selbstverständlich finden, daß eine kleine,<br />
aber hochorganisierte Atomgruppe fähig <strong>ist</strong>, in dieser Weise<br />
zu wirken; das ändert nichts an der Einmaligkeit dieses Tatbestandes,<br />
der ausschließlich bei der lebenden Substanz vorkommt.<br />
Weder Physiker noch Chemiker sind bei der Erforschung<br />
unbelebter Materie je auf Erscheinungen gestoßen, die<br />
sie auf diese Weise hätten deuten müssen. Da der Fall nie eingetreten<br />
<strong>ist</strong>, erfaßt ihn unsere Theorie auch nicht – unsere<br />
schöne stat<strong>ist</strong>ische Theorie, auf die wir mit Recht so stolz<br />
waren, nicht nur weil sie uns erlaubte, hinter die Kulissen<br />
zu sehen und zu beobachten, wie aus atomarer und molekularer<br />
Unordnung die großartige Ordnung exakter physikalischer<br />
Gesetze entsteht, sondern auch, weil sie zeigte, daß das wichtigste,<br />
das allgemeinste und umfassendste Gesetz, das Gesetz<br />
der Entropiezunahme, auch ohne besonders auf den Fall zugeschnittene<br />
Annahmen verständlich <strong>ist</strong>, da diese ja nichts anderes<br />
<strong>ist</strong> als die molekulare Unordnung.<br />
65. Zwei Arten, Ordnung zu erzeugen<br />
Die Geordnetheit in der Entfaltung des <strong>Leben</strong>s entspringt einer<br />
anderen Quelle. Offenbar gibt es zwei verschiedene »Mecha-