Was ist Leben - Online Media Server
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Erwin Schrödinger - <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Leben</strong>? 67<br />
schaft aus Inzucht in ihrer Gesamtheit hervorrufen. Da wir<br />
nicht mehr geneigt sind, Untaugliche auf die harte Art der<br />
Lakedämonier im Taygetosgebirge auszusetzen, müssen wir<br />
im Falle des Menschen – bei dem die natürliche Zuchtwahl<br />
des Stärksten stark zurückgedrängt, ja sogar ins Gegenteil verkehrt<br />
<strong>ist</strong> – diese Dinge besonders ernst nehmen. Die antiselektive<br />
Wirkung des modernen Massengemetzels der gesunden<br />
Jugend aller Nationen wird schwerlich ausgeglichen durch die<br />
Überlegung, daß unter primitiveren Bedingungen der Krieg<br />
einen positiven selektiven Wert gehabt haben mag, indem er<br />
den stärksten Stamm überleben ließ.<br />
27. Allgemeine und h<strong>ist</strong>orische Bemerkungen<br />
Die Tatsache, daß das rezessive Allel, sofern es spalterbig <strong>ist</strong>,<br />
vollständig von dem dominanten überwältigt wird und keinerlei<br />
sichtbare Wirkung hervorbringt, <strong>ist</strong> erstaunlich. Zum<br />
mindesten sollte erwähnt werden, daß dieses Verhalten Ausnahmen<br />
zeigt. Wenn reinerbige weiße Löwenmäulchen mit<br />
ebenfalls reinerbigen dunkelroten Löwenmäulchen gekreuzt<br />
werden, sind alle direkten Nachkommen von einer Zwischenfarbe,<br />
d. h. sie sind rosa (und nicht dunkelrot, wie man erwarten<br />
würde). Ein sehr viel wichtigerer Fall von zwei Allelen,<br />
welche ihren Einfluß gleichzeitig erkennen lassen, liegt in den<br />
Blutgruppen vor – wir können aber hier nicht darauf eingehen.<br />
Ich würde nicht erstaunt sein, wenn es sich schließlich herausstellte,<br />
daß die Rezessivität Abstufungen aufweisen kann, deren<br />
Erkenntnis von der Empfindlichkeit unserer zur Untersuchung<br />
des Phänotyps angewendeten Prüfmethoden abhängt.<br />
Es <strong>ist</strong> hier vielleicht am Platz, einige Worte zur Frühgeschichte<br />
der Erblehre einzufügen. Der Grundstock der Theorie<br />
– das Gesetz der Vererbung von Merkmalen, in denen die<br />
Eltern sich unterscheiden, auf einander folgende Generationen<br />
und besonders der wichtige Unterschied zwischen rezessiv<br />
und dominant – <strong>ist</strong> dem jetzt weltberühmten Augustinerabt<br />
Gregor Mendel (1822-1884) zu verdanken. Mendel wußte