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Erwin Schrödinger - <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Leben</strong>? 38<br />
Zweites Kapitel<br />
Der Vererbungsmechanismus<br />
Das Sein <strong>ist</strong> ewig; denn Gesetze<br />
Bewahren die lebend’gen Schätze,<br />
Aus welchen sich das All geschmückt.<br />
Goethe.<br />
11. Die Erwartung des klassischen Physikers <strong>ist</strong> keineswegs<br />
selbstverständlich; sie <strong>ist</strong> sogar falsch<br />
Wir sind also zum Schluß gekommen, daß ein Organismus<br />
und alle biologisch wesentlichen Vorgänge, die ihn berühren,<br />
eine extrem »vielatomige« Struktur besitzen und vor »einzelatomigen«<br />
Zufälligkeiten, welche zu große Bedeutung erlangen<br />
könnten, geschützt sein müssen. Wie der »unvoreingenommene«<br />
Physiker versichert, muß das so sein, sozusagen<br />
damit der Organismus in seinem so wunderbar regelmäßigen<br />
und geordneten Funktionieren ausreichend genauen physikalischen<br />
Gesetzen folgen kann. Wie stimmen diese Folgerungen,<br />
zu denen man im Biologischen a priori (d. h. vom rein physikalischen<br />
Gesichtspunkt aus) gelangt <strong>ist</strong>, mit dem tatsächlichen<br />
biologischen Tatsachenmaterial überein?<br />
Man <strong>ist</strong> zunächst geneigt, in diesen Folgerungen wenig<br />
mehr als Binsenwahrheiten zu sehen. Vor etwa 30 Jahren<br />
hätte ein Biologe wohl gesagt, es sei zwar in einem populären<br />
Vortrag durchaus angebracht, wenn der Redner die Bedeutung<br />
der stat<strong>ist</strong>ischen Physik für den Organismus wie für<br />
alles andere unterstreiche, an und für sich sei es aber etwas<br />
Selbstverständliches. Denn nicht nur der Körper eines erwachsenen<br />
Individuums jeder höheren Art, sondern auch jede einzelne<br />
ihn bildende Zelle enthalte ja eine »kosmische« Zahl von<br />
Einzelatomen jeder Art. Jeder einzelne beobachtete physiologische<br />
Prozeß innerhalb der Zelle oder in der Wechselwirkung<br />
mit der Umwelt scheint – oder schien vor 30 Jahren – an eine