22.02.2013 Aufrufe

Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ist: „der [Lehrer] macht dann mit uns [Jungen] immer Fitness“. Paradoxerweise<br />

wird durch das Verhalten der Mädchen die etablierte Geschlechtertrennung<br />

im Sport nicht infrage gestellt, sondern durch die Sanktionierungspraxis<br />

des Lehrers eher noch aufrechterhalten: „dann mussten die<br />

[Mädchen] auf die Tribüne“. Es bedarf daher einer bewussten Wahrnehmung<br />

geschlechtertrennenden Verhaltens – sowohl vonseiten der SchülerInnen<br />

wie auch der LehrerInnen – <strong>und</strong> einer Reflexion der Bedingungen<br />

ihrer Herstellung. Diese Bedingungen umfassen, wie die Studie zeigt, die<br />

Mitbestimmung aller über das Geschehen <strong>und</strong> die Partizipation am Geschehen.<br />

Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage bzw. unter Bereitstellung von Aushandlungsräumen<br />

gerade in geschlechtersensiblen sowie gesellschaftlich traditionell<br />

geschlechtlich konnotierten Bereichen kann pädagogische Arbeit gelingen.<br />

5.3.6 Resümee: <strong>Ganztagsschule</strong> als Freizeitalternative <strong>und</strong> ihre<br />

Voraussetzungen<br />

Die eingangs gestellte Frage, welche Rolle die <strong>Ganztagsschule</strong> im Gefüge<br />

der Freizeitkontexte aus der Perspektive der Jugendlichen spielt, ist zugleich<br />

eine Frage nach der Anerkennung der <strong>Ganztagsschule</strong> als Freizeitraum.<br />

Dazu war es notwendig alle für die Jugendlichen relevanten Kontexte des<br />

Freizeitsports einander gegenüber zu stellen:<br />

Während im <strong>Familie</strong>nkontext das spaßorientierte Gemeinschaftserleben im<br />

Vordergr<strong>und</strong> steht, das der Pflege der Beziehungen, aber auch der Regeneration<br />

dient <strong>und</strong> zu einer geschlechtsspezifischen Sozialisation beitragen<br />

kann, ist im Peerkontext neben dem Gemeinschaftserleben zudem die Umsetzung<br />

einer spontanen, interessegeleiteten <strong>und</strong> jugendkulturellen Handlungspraxis<br />

ohne die Anwesenheit Erwachsener von Bedeutung. Sowohl die<br />

familialen als auch die peerspezifischen Praktiken zeichnen sich daher durch<br />

einen hohen Grad an zeitlicher <strong>und</strong> räumlicher Flexibilität aus, was sie zugleich<br />

integrierfähig macht. Eine diese informellen Praktiken unterstützende,<br />

aber keineswegs ersetzende Rolle kommt dabei den Medien zu. Kontextüberschneidungen,<br />

im Sinne einer Integration des <strong>Familie</strong>n- <strong>und</strong> Peerkontexts,<br />

ermöglicht auch der Sportverein, obwohl ihn eine unterschiedliche Praxis<br />

auszeichnet: Das Handeln ist an Leistung <strong>und</strong> den Vorgaben des Trainers<br />

ausgerichtet. Dennoch steht der Sportverein als sozialer Treffpunkt<br />

auch am Wochenende <strong>und</strong> über die Schullaufbahn hinaus zur Verfügung.<br />

Das kann die <strong>Ganztagsschule</strong> als Freizeitkontext nicht leisten. Teilnehmerkreis<br />

sowie Zeit <strong>und</strong> Ort sind in der Regel festgelegt <strong>und</strong> die Teilnahme ist<br />

verbindlich. Gleichwohl erfahren Jugendliche die <strong>Ganztagsschule</strong> als einen<br />

Ort, der Autonomiespielräume in der Gestaltung ihrer Freizeit zur Verfügung<br />

stellt <strong>und</strong> als regenerativer Ausgleich zum bewegungsarmen Unterricht<br />

beitragen kann. Aus ihrer Perspektive nähert sich der Freizeitsport in der<br />

<strong>Ganztagsschule</strong> damit zwar den Praxen in den informellen Kontexten an,<br />

die Freizeitpraxis in der <strong>Ganztagsschule</strong> bleibt aber vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

ihrer institutionellen Rahmenbedingungen eine Nachahmung, die im Alsob-Modus<br />

abläuft. Das zeigt sich vor allem darin, dass ihr tendenziell zentrale<br />

Funktionen fehlen, wie z.B. die Pflege von Fre<strong>und</strong>schaftsbeziehungen<br />

oder die Identifikation mit jugendkulturellen Praktiken. Nur ein geringer<br />

Teil der Jugendlichen nutzt auch die <strong>Ganztagsschule</strong> für diese Zwecke <strong>und</strong><br />

120

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!