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Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

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gischer Unterstützung ist dann primär die Verhinderung eines Schulabbruchs<br />

(„dass es nicht eben seine Laufbahn kostet“) <strong>und</strong> lediglich sek<strong>und</strong>är<br />

eine umfassende Entwicklungsförderung. Die Ursachen für diese Situation<br />

<strong>und</strong> daraus hervorgehenden pädagogischen Handlungsbedarf lokalisiert der<br />

Lehrer in der <strong>Familie</strong> <strong>und</strong> insbesondere in Ein-Eltern-<strong>Familie</strong>n, die symptomatisch<br />

für die gesellschaftliche Entwicklung sind. Das Fehlen eines Elternteils<br />

wird dann zum Problem, wenn zum einen gerade in Entwicklungsphasen<br />

wie der Pubertät, in denen es um Abgrenzung bei gleichzeitiger<br />

Aufrechterhaltung von (emotionaler) Verb<strong>und</strong>enheit geht (i.S. von Nähe<br />

<strong>und</strong> Distanz), ein konfliktbelastetes Verhältnis zu einem Elternteil nicht<br />

durch eine zweite signifikante Beziehung wie z.B. der Mutter abgefedert<br />

werden kann („weil er halt keine Mutter hat <strong>und</strong> keine Kompensation in der<br />

Richtung“). Das Problem verschärft sich zum anderen, wenn unter dieser<br />

<strong>Familie</strong>nsituation (im weiteren Sinne) bzw. der Erziehungsproblematik (im<br />

engeren Sinne) die Schulleistungen leiden <strong>und</strong> ferner die Schullaufbahn gefährdet<br />

wird. Dann erst wird die Erziehungsproblematik zu einer Problematik,<br />

die auch im Schulkontext relevant wird. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> stellt<br />

sich die Aufgabe der <strong>Ganztagsschule</strong> als ein Erziehungsangebot dar, das<br />

sich weniger den fehlenden Kompetenzen der SchülerInnen widmet als<br />

mehr noch der „Kompensation“ fehlender familialer Ressourcen bei der<br />

Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung, um ferner die Schulproblematik<br />

zu lösen. Ein ähnlicher Erziehungsbedarf zeigt sich auch aus der<br />

Sicht einer hauptamtlichen Betreuerin in der offenen <strong>Ganztagsschule</strong>:<br />

194<br />

„Also die meisten Kinder die wir haben in der Betreuung sind Kinder<br />

aus (.) ja zerrütteten Verhältnissen wo die Mamas arbeiten //I: hm//<br />

wo die Papas sie einmal haben wo die Mamas sie einmal haben wo einer<br />

//I: hm// der Strenge ist wo der andere <strong>und</strong> diese Problematik<br />

müssen wir auch auffangen also das ist der Großteil der Kinder //I:<br />

hm// die in der Betreuung sind (.) sind die Kinder die zu Hause allein<br />

nicht sein dürfen (.) Weil sie dann nichts machen //I: hm// Das<br />

ist das sind sicherlich 70% //I: hm// Also die brauchen diese (.) ja<br />

diese Erziehung damit sie da wenigstens die Hausaufgaben [machen]“<br />

(Frau Sens, OGS)<br />

Aufgr<strong>und</strong> der <strong>Familie</strong>nsituation, die zum einen den Arbeitsverhältnissen<br />

geschuldet ist („wo die Mamas arbeiten“) <strong>und</strong> zum anderen den Lebensverhältnissen<br />

bei getrennt lebenden Elternpaaren, ergibt sich aus der Sicht der<br />

Betreuerin eine Situation, in denen die Kinder nach der Halbtagsschule auf<br />

sich gestellt sind. Um zu vermeiden, dass die Kinder zu Hause „nichts machen“,<br />

melden die Eltern Betreuungsbedarf an. Sie bestimmen, dass die<br />

Kinder „zu Hause allein nicht sein dürfen“. Im Gegensatz zur vorangegangenen<br />

schwierigen schulischen <strong>und</strong> familiären Situation, angesichts derer die<br />

Betreuer sich in der Pflicht sehen, Erziehungsaufgaben zu übernehmen,<br />

erhalten nun die Betreuer vonseiten der Eltern einen klaren Erziehungsauftrag.<br />

Dieser dient der Prävention von Leistungsproblemen in der Schule.<br />

Aus dieser Perspektive stellt sich die Erziehungsleistung erneut nicht als<br />

eine Leistung dar, die nach dem Entwicklungsbedarf der Kinder fragt, sondern<br />

die kompensatorisch im Hinblick auf eine <strong>Familie</strong>nsituation wirkt. Die<br />

<strong>Ganztagsschule</strong> steht dann in der Verantwortung der Eltern <strong>und</strong> wirkt da-

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