Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
esse zu unterstellen ist. Diese Situation sozialen Lernens mobilisiert ein<br />
Bewusstsein gegenseitiger Unterstützung anstelle von Schuldzuweisung.<br />
Damit wird eine Handlungspraxis etabliert, die Raum für wechselseitige<br />
Unterstützung informeller Lernprozesse im Sinne einer Handlungsbefähigung<br />
eröffnet. Das dokumentiert die folgende Beobachtung beim Baseballspiel<br />
eindrücklich:<br />
Schülerin: „Das ist wie beim Tennis.“ ruft die Schülerin ihrem Teamgefährten<br />
zu, der schon einen Fehlversuch beim Abschlag hatte.<br />
Schüler: „Ich spiel kein Tennis.“<br />
Schülerin: „Dann konzentriere Dich auf den Ball <strong>und</strong> nicht darauf, wie<br />
schön Du Dich hinwerfen kannst.“<br />
In der nächsten R<strong>und</strong>e fordert der Betreuer den Schüler auf: „Komm<br />
(Name des Schülers), Du warst noch nicht.“<br />
Schüler: „Doch ich war schon.“<br />
Betreuer: „Nur wenn Du es übst, lernst Du es.“ Nach dem zweiten<br />
Versuch trifft der Schüler endlich den Ball.<br />
Betreuer: „Super!“ (Beobachtung vom 10.07.2008)<br />
Das Mädchen versucht den Lernprozess ihres Teamgefährten zu unterstützen,<br />
indem sie zunächst an die außerschulische Erfahrungswelt anzuknüpfen<br />
versucht. Nachdem dieser Versuch scheitert, gibt sie ihm konkrete<br />
Handlungsanweisungen. Der Betreuer unterstützt die Versuche der Schülerin,<br />
indem er den Schüler explizit zum Mitmachen auffordert, wenn sich<br />
auch der Schüler zunächst widersetzt. Dabei rahmt der Betreuer die Situation<br />
als Übungssituation <strong>und</strong> damit als eine Situation, die Fehlversuche legitimiert<br />
(„Nur wenn Du es übst, lernst Du es.“). Die Übung ist jedoch kein<br />
Selbstzweck, sondern dient dem Lernerfolg. So gelingt es dem Betreuer,<br />
situationsbezogene, informelle Lernprozesse pädagogisch zu unterstützen<br />
<strong>und</strong> zugleich Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Zudem wird<br />
das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen <strong>und</strong> darüber hinaus das selbständige<br />
Handeln geschult. Als günstige Rahmenbedingungen erweisen sich<br />
dabei Interaktionsmuster, die die SchülerInnen als ganze Person anerkennen<br />
mit ihren Interessen, sozialen Erfahrungen <strong>und</strong> Bedürfnissen.<br />
These zum Zusammenspiel von formellen <strong>und</strong> informellen <strong>Bildungsprozesse</strong>n<br />
im Schulkontext der Schule B:<br />
Als offene <strong>Ganztagsschule</strong> sieht die Einrichtung ihren Erziehungsauftrag<br />
primär in der Fortsetzung der schulischen <strong>und</strong> damit formalen Lernprozesse.<br />
Gleichwohl ermöglicht das Ganztagskonzept bzw. die Ausweitung des<br />
Ganztagsangebotes auf bewegungsorientierte Aktivitäten auch informelle<br />
Lernprozesse, die zur subjektiven Handlungsbefähigung im Sinne der<br />
Ganztagsbildung beitragen (vgl. Coelen/Otto 2008). Eine systematische<br />
Verschränkung von informellen mit formellen <strong>Bildungsprozesse</strong>n im Sinne<br />
eines ganzheitlichen Lernens findet jedoch nicht statt.<br />
91