Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
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5.6.2.2.2. Betreuung oder Erziehung? – Schule als Partner in<br />
komplexen <strong>Familie</strong>nverhältnissen<br />
Neben einem Verständnis von Erziehungspartnerschaft, die alle Parteien<br />
braucht, um funktionsfähig zu sein, sieht sich das Lehrpersonal im Alltag<br />
vor weitere Probleme gestellt, die ebenso gesellschaftlich relevant sind. Das<br />
betrifft die Frage der Herstellung einer Erziehungspartnerschaft bzw. eines<br />
geeigneten Eltern-Schul-Verhältnisses trotz der Vielfalt an <strong>Familie</strong>nverhältnissen<br />
<strong>und</strong> -konstellationen.<br />
„(W)as Patchwork anbelangt oder überhaupt Scheidung ja (4) ich<br />
kann ja nicht so tun als wär das jetzt alles was da draußen stattfindet<br />
hier irrelevant (.) Weil es spült´s ja direkt rein ob das jetzt die Mutter<br />
ist die ganztags arbeiten muss oder die Frau ist die auf einmal zum<br />
Arbeiten anfangen muss //I: hm// weil der Mann gestorben ist wo<br />
man dann auch sagen muss gut okay was kann ich ihnen jetzt abnehmen<br />
<strong>und</strong> das ist als erstes Mal die Sorge um das Kind kann das Kind<br />
da bleiben <strong>und</strong> wer kümmert sich am Tag da drum (2) //I: hm//<br />
Und was tun wir wenn er damit nicht klar kommt das heißt da muss<br />
Schule auch in ja in der Schule Mechanismen haben Personal (2) die<br />
dann auch handeln können //I: hm// Da muss es möglich sein dass<br />
ich praktisch eine St<strong>und</strong>e ausfallen lasse <strong>und</strong> das Kind im ((Name eines<br />
städtischen Parks)) suchen geh ja die Dinge passieren“ (Herr Kaminski,<br />
GGS)<br />
Nach Ansicht des Lehrers muss sich die Schule einer außerschulischen Situation<br />
(„da draußen“) stellen, die Aspekte der Auflösung der traditionellen<br />
bürgerlichen <strong>Familie</strong> umfasst: Das sind zum einen <strong>Familie</strong>nkonstellationen,<br />
die die Elternbeziehung betreffen. Die Rede ist von getrennt lebenden Eltern<br />
(„Scheidung“) oder Eltern mit neuen Partnern, die eigene Kinder in die<br />
<strong>Familie</strong> mitbringen („Patchwork“). Zum anderen sieht sich die Schule mit<br />
<strong>Familie</strong>nverhältnissen konfrontiert, die den Arbeitsverhältnissen geschuldet<br />
sind, insbesondere der zunehmenden Berufstätigkeit der Mütter. Ein drittes<br />
gesellschaftliches Phänomen, mit dem sich <strong>Ganztagsschule</strong> – vor allem in<br />
der Mittelstufe – konfrontiert sieht, beschreibt ein Lehrer wie folgt:<br />
„Eins wollte ich noch sagen zu den Eltern genau //I ja// Wohlstandsverwahrlosung<br />
das war das Einzige was ich noch nicht erzählt<br />
hab (.) Es gibt auch Eltern bewusst oder nicht bewusst die versuchen<br />
mit ihrem Geld alles gut zu machen also die wollten irgendwie Kinder<br />
haben aus welchen Gründen auch immer haben dann nicht wirklich<br />
große Lust sich um die Kinder zu kümmern das heißt die werden in<br />
die Vollzeitbetreuung gesteckt <strong>und</strong> dann am Wochenende noch zur<br />
Kinderbetreuung beim Schifahren oder so Kinderbetreuung beim<br />
Spielen whatever also ich hab da schon äußerst interessante Sachen<br />
erlebt […] Und solche Kids also wenn dann die Eltern beschließen<br />
wir müssen jetzt am Wochenende wegfahren dann sind halt die 12-<br />
<strong>und</strong> 14jährigen Kinder allein zu Hause (.) Oder vielleicht gibt‟s noch<br />
irgendeinen Babysitter aber der ist nach optischen Kriterien <strong>und</strong> nicht<br />
nach pädagogischer Eignung ausgewählt <strong>und</strong> dann klappts halt nicht“<br />
(Herr Lemke, GGS)<br />
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