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Interkulturelle Konflikte in Nachbarschaften und ihre Lösung durch ...

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Analyse des Mediationsverfahrens<br />

E<strong>in</strong>ige Mediatoren äußerten <strong>in</strong> der Befragung selbstkritisch, dass ihnen <strong>in</strong> manchen<br />

Situationen die Neutralität schwer fiel. Der Mediator im Jugendzentrumsfall stellte fest,<br />

dass er aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit mit Jugendlichen „auch e<strong>in</strong> bisschen parteiisch werden<br />

kann. Aber ich versuche nicht parteiisch zu werden, sondern lösungsorientiert zu se<strong>in</strong>.“<br />

Ebenso berichtet e<strong>in</strong>e Mediator<strong>in</strong> von der Schwierigkeit, der Art der Konfliktlösung<br />

gegenüber neutral zu se<strong>in</strong>, also nicht Mediation als den e<strong>in</strong>zigen <strong>Lösung</strong>sweg zu propagieren:<br />

„Ich hab´ gemerkt, dass es schwierig ist, nicht <strong>in</strong> diese Rolle zu kommen, die<br />

[Anmerk. d. Verfasser<strong>in</strong>: Mitglieder des Bezirksausschuss] überzeugen zu wollen, dass<br />

sie aber doch da unbed<strong>in</strong>gt mitmachen müssen.“<br />

Erwartungen der Parteien an die Neutralität der Mediatoren<br />

Die Mediator<strong>in</strong> des Gaststättenfalls hatte das Gefühl, dass die türkische Partei „die<br />

Hoffnung <strong>und</strong> Erwartung hatte, dass wir <strong>ihre</strong> Position vertreten. Das wir sie unterstützen<br />

dabei, dass sie dort (...) bleiben können.“ Hier zeigen sich möglicherweise e<strong>in</strong> kulturell<br />

unterschiedlicher Anspruch an die Neutralität der Mediatoren <strong>und</strong> der vorherrschende<br />

Wunsch nach Unterstützung <strong>und</strong> Anleitung. Dieser stärkere Anspruch der türkischen<br />

Partei an e<strong>in</strong>en emotional <strong>in</strong>volvierten <strong>und</strong> engagierten Mediator könnte die erwähnten<br />

Anforderung an e<strong>in</strong>en Mediator <strong>in</strong> eher traditionell geprägten Gesellschaften bestätigen,<br />

wo er Teil dieser Gesellschaft, persönlich <strong>und</strong> kontextbezogen sei (vgl. Augsburger 1992,<br />

S. 202). Es liegt auch der Gedanke nahe, dass die Familie Demir, die der <strong>in</strong> Hofstedes<br />

Schema als eher kollektivistisch e<strong>in</strong>zuordnenden türkischen Kultur entstammt, auf e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Lösung</strong> hofft, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> Schiedsspruch gefällt wird (vgl. Kap. 4.2.3). Auch Faller weist<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass klassische Mediatoren, wie z.B. die türkischen Agas, eher Schiedsrichter<br />

als Mediatoren waren. Diese allgeme<strong>in</strong> anerkannten weisen Personen brachten den<br />

Parteien mehr Empathie entgegen, schlugen <strong>Lösung</strong>smöglichkeiten vor <strong>und</strong> trafen auch<br />

die Entscheidung. Neben solchen kulturellen Erklärungen kann diese Erwartung von Frau<br />

Demirs Seite aus jedoch auch mit der Überforderung <strong>durch</strong> die als ausweglos wahrgenommene<br />

Situation zusammenhängen.<br />

Aussagen von Herrn Borchert zeigen e<strong>in</strong>en für ihn wichtigen Punkt auf, der von se<strong>in</strong>er<br />

Seite her eher für die Präferenz e<strong>in</strong>es neutralen <strong>und</strong> distanzierten Mediators spricht. Er<br />

betont die Rolle der Mediatoren als offizielle Instanz, die „versucht haben über so e<strong>in</strong>en<br />

Rahmen, das e<strong>in</strong> bisschen amtlicher zu machen.“ Er erhoffte sich da<strong>durch</strong> nach eigenen<br />

Angaben e<strong>in</strong>e größere Zuverlässigkeit der Demirs bei der E<strong>in</strong>haltung der Abmachungen.<br />

Empf<strong>in</strong>dung der Parteien<br />

Die Konfliktparteien bezeichneten die Mediatoren <strong>in</strong> allen Fällen als sehr aufgeschlossen,<br />

verständnisvoll <strong>und</strong> lösungsorientiert. Niemand äußerte <strong>in</strong> den Interviews mir gegenüber<br />

das Gefühl, <strong>durch</strong> e<strong>in</strong>e Handlung der Mediatoren benachteiligt worden zu se<strong>in</strong>. Das<br />

Ergebnis kann unter Umständen <strong>durch</strong> den E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er sozialen Erwünschtheit oder<br />

die Sorge, ich würde die Informationen weitergeben, bee<strong>in</strong>flusst worden se<strong>in</strong>. Dies lässt<br />

sich jedoch <strong>in</strong> gewissem Maße ausschließen, da die Fragen nach der Bewertung der<br />

Mediation <strong>durch</strong>aus kritisch beantwortet wurden (vgl. Kap. 6.4.1). Bedacht werden muss<br />

allerd<strong>in</strong>gs auf jeden Fall die Möglichkeit, dass die Parteien Gefühle der Benachteiligung<br />

hatten <strong>und</strong> dies nicht bewusst reflektiert haben oder sie sich <strong>in</strong> der Interviewsituation<br />

daran nicht er<strong>in</strong>nerten bzw. dem ke<strong>in</strong>e Bedeutung beimaßen.<br />

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