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Interkulturelle Konflikte in Nachbarschaften und ihre Lösung durch ...

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Analyse der Konfliktbiographien<br />

Kommunikation <strong>und</strong> die Rolle von Missverständnissen e<strong>in</strong>gegangen. Dieser Themenbereich<br />

ist von diversen Faktoren bee<strong>in</strong>flusst <strong>und</strong> so umfassend, dass er <strong>in</strong> Besemers<br />

Schema e<strong>in</strong>e eigene Kategorie e<strong>in</strong>nimmt. Im Folgenden wird allerd<strong>in</strong>gs auf besonders<br />

auf kulturspezifische Faktoren der Kommunikation e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgr<strong>und</strong> kultureller Unterschiede<br />

Im Fall der türkischen Gaststätte sehen sich Frau Demir <strong>und</strong> Herr Yildirim aufgr<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>r<br />

Nationalität diskrim<strong>in</strong>iert. Sie äußerten den E<strong>in</strong>druck, der Vermieter sei gegen Ausländer<br />

<strong>und</strong> auch generell würde viel schneller die Polizei geholt, wenn es sich um ausländische<br />

Kneipenbesitzer handle. Für den Mieter Borchert h<strong>in</strong>gegen sche<strong>in</strong>t die Herkunft der<br />

Pächter ke<strong>in</strong>e Konfliktursache zu se<strong>in</strong>. Das Hauptproblem ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach die<br />

auf den Betrieb e<strong>in</strong>er Livemusik-Kneipe ausgerichtete Art der Gastronomie <strong>und</strong> der<br />

dah<strong>in</strong>ter stehende wirtschaftliche Druck: „Also es gibt nicht den Nationalitätenkonflikt, es<br />

gibt e<strong>in</strong>fach nur dieses Problem, die Gastronomiemieter s<strong>in</strong>d genauso an die Hausordnung<br />

geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> müssen gegen die Hausordnung verstoßen, die da Nachtruhe von<br />

22 bis 6 Uhr vorschreibt, weil <strong>ihre</strong> Gastronomie anderst gestaltet ist.“ Auch der Mediator<br />

ist der Me<strong>in</strong>ung, dass ausländerfe<strong>in</strong>dliche Motivationen bei ke<strong>in</strong>er der deutschen Konfliktparteien<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen <strong>und</strong> der Konflikt nicht ursächlich auf e<strong>in</strong>en kulturellen<br />

Unterschied zurückzuführen ist: „Ich glaub e<strong>in</strong> deutscher Wirt, der e<strong>in</strong> Musiklokal<br />

aufmachen hätt wollen, wär genauso an se<strong>in</strong>e Grenzen gestoßen.“<br />

Vergleichbar ist die Lage beim Fall „Unterkunft“. Renaldo Seeger ist der Me<strong>in</strong>ung, dass<br />

ihm viele Nachteile daraus entstehen, dass se<strong>in</strong>e Nachbarn <strong>und</strong> auch die städtischen<br />

Stellen, wie er es nennt, „was gegen S<strong>in</strong>tis haben“. Der Unterkunftsverwalter me<strong>in</strong>t<br />

dazu: „Er hat halt das Problem, dass er denkt, er is Mensch zweiter Klasse, weil er ke<strong>in</strong>e<br />

normale Sozialwohnung kriegt, weil ihn ke<strong>in</strong>er nimmt. Weil wenn e<strong>in</strong>er sigt oder hört, a<br />

S<strong>in</strong>ti (...), dann wird sofort die Tür zugeschlagen.“ Inwiefern also die von Seeger empf<strong>und</strong>ene<br />

Abneigung der Unterkunftsbewohner <strong>und</strong> der städtischen Mitarbeiter speziell<br />

auf e<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgr<strong>und</strong> der S<strong>in</strong>ti-Kultur oder lediglich auf schlechte Erfahrungen<br />

mit Seeger <strong>in</strong> der Anlage <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er vom Unterkunftsverwalter angeführten berüchtigten<br />

Bekanntheit des S<strong>in</strong>tifamilienclans zurückzuführen ist, kann aufgr<strong>und</strong> dieser<br />

Interviewaussagen nicht e<strong>in</strong>deutig festgestellt werden, da die subjektiven E<strong>in</strong>drücke<br />

widersprüchlich s<strong>in</strong>d. Die Äußerung möglicher negativer E<strong>in</strong>stellungen gegenüber S<strong>in</strong>ti<br />

widerspricht zudem der erforderten political correctness <strong>in</strong> dieser beruflichen Stellung,<br />

so dass dies im Interview kaum thematisiert worden wäre. Der Unterkunftsverwalter<br />

betont vielmehr se<strong>in</strong> Verständnis für die Kultur: er sei selbst im Münchener Norden<br />

aufgewachsen, wo viele S<strong>in</strong>ti <strong>und</strong> türkische Migranten wohnten <strong>und</strong> wüsste <strong>durch</strong> die<br />

geme<strong>in</strong>same Schulzeit viel über deren Sozialgefüge <strong>und</strong> Denkweisen. Die Mediator<strong>in</strong> hat<br />

den E<strong>in</strong>druck, dass beim Unterkunftsverwalter ke<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgr<strong>und</strong> kultureller<br />

Unterschiede vorliege, sondern die Problematik eher <strong>in</strong> vergangenen Vorfällen mit<br />

Seeger <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Ruf aufgr<strong>und</strong> früherer kle<strong>in</strong>er Straftaten begründet liegt. Wie sich im<br />

Folgenden an zitierten Aussagen von Herrn Stegmüller noch verdeutlichen wird, lässt<br />

sich bei ihm zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> stark <strong>durch</strong> Vorurteile <strong>und</strong> pauschalisierende Vorstellungen<br />

geprägtes Bild von S<strong>in</strong>ti feststellen, welches möglicherweise von se<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

Jugendzeit <strong>und</strong> der jahrelangen Arbeitserfahrung mit S<strong>in</strong>ti stammt. Im Gegensatz zur<br />

Mediator<strong>in</strong>, die auch viel Erfahrung im Umgang mit S<strong>in</strong>ti besitzt, hatte ich hier jedoch<br />

<strong>durch</strong>aus den E<strong>in</strong>druck, dass Herr Stegmüller sich nicht wirklich bemüht, Seegers Lage<br />

zu verstehen bzw. sich <strong>in</strong> gewisser Weise überlegen fühlt.<br />

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