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Interkulturelle Konflikte in Nachbarschaften und ihre Lösung durch ...

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Drei Fallbeispiele - Konfliktbiographien<br />

Situation im Sommer 2004<br />

Die Familie ist nach der Vermittlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e etwas größere Wohnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Unterkunftsanlage<br />

im Münchener Westen gezogen, <strong>in</strong> der auch Renaldos Eltern leben <strong>und</strong> wo<br />

er aufgewachsen ist. Sie haben <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> zweites K<strong>in</strong>d bekommen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d unzufrieden<br />

mit <strong>ihre</strong>r Wohnsituation. Sie möchten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e größere Wohnung <strong>und</strong> vor allem<br />

aus der Unterkunftsanlage weg, da das nachbarschaftliche Zusammenwohnen unzumutbar<br />

<strong>und</strong> schlecht für die K<strong>in</strong>der sei. Renaldo Seegers Anträge auf e<strong>in</strong>e andere Wohnung<br />

werden abgelehnt <strong>und</strong> er ist verärgert <strong>und</strong> frustriert, weil er der Me<strong>in</strong>ung ist, man würde<br />

ihm se<strong>in</strong>e Vergangenheit vorhalten <strong>und</strong> ihm ke<strong>in</strong>e weitere Chance geben.<br />

Herr Stegmüller ist nicht mehr direkt für diese neue Unterkunftswohnung zuständig,<br />

bekommt aber weitere <strong>Konflikte</strong> zwischen Renaldo <strong>und</strong> den Anwohnern bzw. dem<br />

Hausmeister der Anlage mit. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach ist die Kommunikation zwischen ihnen<br />

beiden gut; aus Renaldos Sicht ist das nicht so, er hat se<strong>in</strong> Vertrauen <strong>in</strong> Herrn Stegmüller<br />

verloren <strong>und</strong> wendet sich an andere Zuständige.<br />

In diesem Mediationsfall gibt es zwei Besonderheiten zu berücksichtigen. Zum e<strong>in</strong>en<br />

liegen mehrere <strong>Konflikte</strong> vor: der zwischen der Bewohnergeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Renaldo<br />

Seeger <strong>und</strong> desweiteren der <strong>in</strong> der Mediation behandelte Konflikt zwischen ihm <strong>und</strong> dem<br />

Unterkunftsverwalter Stegmüller, bzw. dem Wohnungsamt. In der Analyse wird letzterer<br />

Konflikt behandelt <strong>und</strong> der Fokus auf die Mediation gelegt. Aussagen über die Nachbarschaftsbeziehungen<br />

<strong>in</strong> der Unterkunft werden nur am Rande gemacht.<br />

Zum anderen gehen <strong>in</strong> diesem Fall die Aussagen über Sach<strong>in</strong>formationen <strong>und</strong> den<br />

Konflikthergang sehr weit ause<strong>in</strong>ander. Dies ist nicht alle<strong>in</strong> <strong>durch</strong> e<strong>in</strong>e von Person zu<br />

Person verschiedene Wahrnehmung zu erklären. E<strong>in</strong>e Rolle kann das weite Zurückliegen<br />

des Vorfalls (zum Befragungszeitpunkt fast anderthalb Jahre) spielen, so dass manche<br />

Fakten <strong>in</strong> Vergessenheit geraten s<strong>in</strong>d. Auf Seiten des S<strong>in</strong>tos spielen darüber h<strong>in</strong>aus<br />

vermutlich se<strong>in</strong> Ärger über die momentane Situation <strong>und</strong> der Wunsch, diese zu verändern,<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Er hatte <strong>in</strong> der Vergangenheit mehrere Streitigkeiten mit Herrn Stegmüller<br />

<strong>und</strong> nimmt diesen Vorfall als nicht besonders hervorstechend wahr. Ebenso Herr Stegmüller,<br />

der sich <strong>in</strong> der Befragung auch immer wieder auf andere Vorfälle bezieht <strong>und</strong><br />

zudem se<strong>in</strong>e bzw. die Rolle des Wohnungsamts abschwächen möchte, um jegliche<br />

negative Kritik oder Publicity zu vermeiden (vgl. Kap. 3.2.2 Methodik). Insofern erwähnt<br />

er zum Beispiel nie direkt den geplanten Polizeie<strong>in</strong>satz oder die Drohung von Herrn<br />

Seeger, das Lokalfernsehen e<strong>in</strong>zuschalten. Die Schilderung der Mediator<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>t<br />

daher als die zuverlässigste Quelle, auch wenn man hier vermuten könnte, dass sie im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>fluss der Mediation oder <strong>ihre</strong> Rolle überbewertet. Dies relativiert sich<br />

jedoch <strong>durch</strong> die Aussagen der beiden anderen Interviewpartner, die der <strong>Lösung</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

übermäßige Bedeutung beimessen (vgl. Kap. 6.4.1). Die Mediator<strong>in</strong> hat jedoch <strong>in</strong> der<br />

Konfliktsituation mit beiden Seiten Kontakt gehabt <strong>und</strong> deren Sichtweisen gehört. Sie hat<br />

den Vorfall als e<strong>in</strong>zigen Konfliktfall der beiden erlebt, bei dem sie e<strong>in</strong>bezogen wurde, hat<br />

ihn zur Bearbeitung bereits damals analysiert <strong>und</strong> daher vermutlich bewusster memorisiert<br />

als die Konfliktparteien. Ich habe mich deshalb <strong>in</strong> der Darstellung der Konfliktbiographie<br />

hauptsächlich auf Aussagen der Mediator<strong>in</strong> bezogen, um den genauen Hergang<br />

zu rekonstruieren.<br />

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