4 Museumsporträt
Der Name Nürnbergs ist im Bezug auf die NS-Diktatur unauflöslich mit drei Begriffen verbunden: Zunächst mit den Reichsparteitagen der NSDAP, die seit 1927 hier stattfanden und für die nach der Machtergreifung 1933 begonnen wurde, e<strong>in</strong> riesiges Areal am Rand der Stadt zu bebauen. Die Reste der gigantomanischen Anlagen zeugen von der Hybris und der Menschenverachtung des Regimes. Die „Nürnberger Gesetze“ des Jahres 1935 zementierten als „Rassengesetze“ die Ausgrenzung und schließlich Vernichtung von Millionen von Menschen. Nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ waren es schließlich die „Nürnberger Prozesse“, die die Aufmerksamkeit der Welt auf die Frankenmetropole lenkten. Lange Zeit versuchte die Stadt, diese Vergangenheit zu vergessen, und pflegte lieber ihr Lebkuchen- und Spielzeugstadt-Image. Seit e<strong>in</strong>igen Jahren hat sich das geändert: E<strong>in</strong>en Meilenste<strong>in</strong> auf diesem Weg bedeutete die Eröffnung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, das – f<strong>in</strong>anziert von Bund, Freistaat und Stadt und seit der Eröffnung im Jahr 2001 den museen der stadt nürnberg zugehörig – als beispielgebend für ebenso gegenüber dem Thema verantwortungsbewusste wie besucherorientierte Ausstellungen an schwierigen Orten gelten kann. Über 180.000 Besucher pro Jahr unterstreichen den Bedarf an seriöser Information über das lange Zeit verdrängte Thema. Steigendes Interesse brachten gerade auch ausländische Besucher Nürnbergs zudem den Nürnberger Prozessen und ihrem Haupt- Schauplatz, dem Schwurgerichtssaal 600, entgegen. Auch wenn der Gerichtsort Nürnberg eher zufällig gewählt war – der riesige, 1916 eröffnete Gerichtskomplex mit dem angrenzenden Gefängnis hatte den Krieg nur wenig beschadet überstanden und bot die nötige Infrastruktur – stellten die gerichtliche Aufarbeitung der größten Verbrechen des Regimes gerade am Ort der früheren Reichparteitage e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches Zeichen der Überw<strong>in</strong>dung des Systems dar. Dass jetzt diesem Interesse Rechnung getragen wurde und e<strong>in</strong>e Ausstellung den historischen Ort erschließt, war wiederum nur durch e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Kraftakt von Bund, Land und Stadt mit Unterstützung durch die Justiz möglich. Entstanden ist e<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>fache, großes Interesse und Standvermögen der Besucher voraussetzende Ausstellung. Wie sollte es auch anderes se<strong>in</strong>: Es gibt wohl ke<strong>in</strong> Thema, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung schwerer darzustellen und zu vermitteln wäre als e<strong>in</strong> komplexes Geflecht von Prozessen mit ihren Aus- und Nachwirkungen. Dennoch ist dieses Experiment gelungen. Nürnberg spielt nun bei den europäischen Städten, die ihre jüngste Vergangenheit für Bürger und Besucher offensiv erschließen, <strong>in</strong> der ersten Liga. Wolfgang Stäbler Langsam kehrt im Nürnberger Justizgebäude an der Fürther Straße wieder Normalität e<strong>in</strong>. Die Vertreter jener vier Mächte, <strong>in</strong> deren Namen hier so etwas wie e<strong>in</strong> Weltgericht getagt hatte, s<strong>in</strong>d wieder abgereist, desgleichen die Hunderte von Journalisten aus aller Welt, die über das Ereignis berichteten, das Nürnberg e<strong>in</strong>mal mehr <strong>in</strong> den Fokus e<strong>in</strong>er Weltöffentlichkeit brachte. Ne<strong>in</strong>, geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d nicht die Nürnberger Prozesse selbst, sondern die ihnen gewidmete neue Dauerstellung, die 65 Jahre später, am 21. November 2010, unter Teilnahme <strong>in</strong>ternationaler politischer Prom<strong>in</strong>enz und hochrangiger Vertreter der „dritten Kraft“ demokratischer Gesellschaften, der Judikative, eröffnet wurde. Zu den Gästen zählten unter anderen die Außenm<strong>in</strong>ister Russlands und der Bundesrepublik Deutschland, Sergej Lawrow und Guido Westerwelle, der frühere französische Außenm<strong>in</strong>ister Roland Dumas, der Sonderbotschafter der US-Regierung für Kriegsverbrechen, Stephen Rapp, und der Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs <strong>in</strong> Den Haag, Hans-Peter Kaul. Für e<strong>in</strong>e ununter- Das Urteil Museumsporträt 5 Die Nürnberger Prozesse als Thema e<strong>in</strong>er neuen Dauerausstellung Hans-Christian Täubrich Szenographie des Ausstellungsraums zum Hauptkriegsverbrecherprozess. Seite 4: Die Stelen mit den Fahnen der damaligen Alliierten s<strong>in</strong>d der Wegweiser zum Memorium.