Download - Museen in Bayern
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se<strong>in</strong>en „Reisen durch das Königreich Baiern“ 1816 vor: „Wenn<br />
man annimmt, dass jeder e<strong>in</strong>zelne Hafner jährlich 15 Brände, und<br />
<strong>in</strong> jedem 800 Stücke gar macht: so fabrizieren die 80 Töpfer des<br />
Landgerichts im Durchschnitte wenigstens 960.000 Geschirre von<br />
größerer und kle<strong>in</strong>erer Gattung.“ (S. 24 f.)<br />
Woh<strong>in</strong> geliefert wurde, zeigt e<strong>in</strong>e Verbreitungskarte (S. 185)<br />
mit Markt- und Händlerorten zwischen Augsburg und L<strong>in</strong>z, Weiden<br />
<strong>in</strong> der Oberpfalz und Bozen. Wer beliefert wurde bzw. welche<br />
Haushalte als „Verbraucher“ anzusehen s<strong>in</strong>d, bleibt eher diffus,<br />
wenn auch die Geschirrlieferungen an den kurfürstlichen Hof <strong>in</strong><br />
München eigens herausgehoben werden (S. 165 ff.). Den allmählichen<br />
Niedergang der Krön<strong>in</strong>ger Hafnerei <strong>in</strong> der 2. Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts konnte selbst die zunächst als „Töpferschule“ 1873<br />
<strong>in</strong> Landshut gegründete Keramische Fachschule nicht aufhalten.<br />
1928 arbeitete noch e<strong>in</strong>e Werkstatt.<br />
Die dargebotene Materialfülle mit ihren E<strong>in</strong>zelnachweisen ist<br />
die bewundernswerte Leistung e<strong>in</strong>es aus der Orts- und Regionalforschung<br />
kommenden „Quere<strong>in</strong>steigers“, wie sich der Autor<br />
selbst bescheiden, aber nicht ohne F<strong>in</strong>gerzeig auf die dünn gesäte<br />
akademische Forschung bezeichnet. Paul Stieber (1915-1975),<br />
Ingolf Bauer (1942-2006) und Werner Endres (geb. 1937) s<strong>in</strong>d<br />
se<strong>in</strong>e erklärten Vorbilder bzw. Weggefährten. Mit se<strong>in</strong>em opus<br />
magnum dürfte sich Grasmann e<strong>in</strong>gereiht fühlen <strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>e<br />
Schar altbayerischer Keramikforscher und großer Monografien<br />
wie Ingolf Bauers „Treuchtl<strong>in</strong>ger Geschirr“ (1971) oder dessen<br />
„Hafnergeschirr aus Altbayern“ (1976, 2. Aufl. 1980).<br />
Trotz des hohen Anspruchs, den der Verlag auf dem h<strong>in</strong>teren<br />
Buchdeckel formuliert – „so liegt nun als Gesamtwerk die Geschichte<br />
zur Hafnerei auf dem Krön<strong>in</strong>g und e<strong>in</strong> ,Bestandskatalog<br />
Krön<strong>in</strong>g und B<strong>in</strong>a’ vor“ – bleiben Wünsche und Fragen offen,<br />
und im Falle e<strong>in</strong>er zweiten Auflage Fehler zu vermeiden. Bei aller<br />
Beflissenheit des „Arbeitens aus den Quellen“ vermisst man die<br />
Zusammenschau, e<strong>in</strong>e Kurzfassung der wesentlichen Ergebnisse,<br />
vielleicht auch nur e<strong>in</strong>prägsame Charakteristika, ob am jeweiligen<br />
Kapitelende oder als Resumé.<br />
Fragen wären etwa, wie man sich die Gesamtverbreitung <strong>in</strong>-<br />
und außerhalb der kartierten Kernzone vorzustellen hat – etwa <strong>in</strong><br />
Salzburg, wofür v. Obernberg 1816 mehr als 50.000 Stück jährlich<br />
angibt, und im Salzburger Land, welches <strong>in</strong> der Karte nicht<br />
aufsche<strong>in</strong>t, von Wien ganz abgesehen; wie es mit Nachweisen<br />
über die e<strong>in</strong>gangs genannten 11 <strong>Museen</strong> h<strong>in</strong>aus ausschaut; ob es<br />
e<strong>in</strong>e Schwerpunktverlagerung <strong>in</strong>nerhalb der Produktion durch die<br />
Jahrhunderte gegeben hat; was der meist produzierte Artikel war;<br />
ob und <strong>in</strong>wieweit es e<strong>in</strong>e Rezeption nach dem Niedergang und<br />
Nachahmer gegeben hat oder gibt; welche Rolle heute Krön<strong>in</strong>ger<br />
Ware im Handel spielt und dgl. mehr. Beim Katalogteil fällt auf,<br />
dass im Titel ausschließlich von „Gefäßen“ die Rede ist, während<br />
der Autor mit der keramischen Sonderform der Deckel beg<strong>in</strong>nt,<br />
weiter unten selbstredend weitere Sonderformen wie Brotstempel,<br />
T<strong>in</strong>tenzeuge, Weihwasserkessel und vieles mehr vorstellt und<br />
die eigene Gruppe der Ofenkacheln und -modeln beschreibt. Hilfreich<br />
auch wäre e<strong>in</strong>e Begründung für Datierungen etwa <strong>in</strong>s 13.<br />
Jahrhundert gewesen (z. B. Deckel S. 242 f.), auf Tafel 3 (S. 369)<br />
oder des Topfes auf Tafel 23 (S. 379), haben wir doch vorne von<br />
den frühesten Hafnern ab 1301 erfahren.<br />
Die Beigabe der mundartlichen Bezeichnung bei vielen Gegenständen<br />
konserviert mit Recht die Ausdrucksweise der Hersteller<br />
und Benützer, führt aber bei der Zusammenstellung und<br />
Erklärung dieser Ausdrücke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen Register sehr an<br />
die Grenzen des Verständlichen, wenn ohne Bemühung um Lautschrift<br />
etwa „Butadegl“ als „tiefe Henkelschüssel mit Ausguss“<br />
erklärt wird („Butter“-, „Budda“-?), andererseits e<strong>in</strong> „Nadlkörbl“<br />
im Orig<strong>in</strong>alton „Nolkeawe“ heißt. Das Wort für „Ton“ mit se<strong>in</strong>en<br />
Zusammensetzungen variiert eher zufällig zwischen „Dowa“ und<br />
„Dower“; der „Blachawagn“ (Planwagen der Karrner) tritt auch<br />
Berichte/Aktuelles 87<br />
unter „Plochawogn“ auf.<br />
Den Schluss des Buches bildet die „abgekürzt zitierte Literatur“<br />
mit an die 130 Titeln. Viele davon s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vorausgegangenen<br />
Anmerkungen ebenfalls voll zitiert; e<strong>in</strong>e ganze Reihe<br />
von Aufsätzen enthält ke<strong>in</strong>e Seitenangabe; manchmal fehlt das<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsjahr; „Horschik“ taucht e<strong>in</strong>e Zeile später als „Horsdchik“<br />
auf, „Rahden“ zwei Seiten später als „Rhaden“; beim Aufsatz<br />
von Spirkner 1909 irritiert, dass e<strong>in</strong>mal Bayerlandheft Nr.<br />
36 (S. 216), e<strong>in</strong>mal nur Nr. 37 (S. 406) angegeben wird; der<br />
„Leitfaden zur Keramikbeschreibung“ erschien nicht 1987, sondern<br />
1986 usw. Weil es ke<strong>in</strong> Abkürzungsverzeichnis gibt, rätselt<br />
man beim ersten „AHV“, bis man dah<strong>in</strong>ter kommt, dass das Kürzel<br />
für „Archiv des Heimatvere<strong>in</strong>s Vilsbiburg“ steht.<br />
Man sollte bei e<strong>in</strong>em Werk mit wohl e<strong>in</strong>igen Millionen Buchstaben<br />
nicht zu kle<strong>in</strong>lich se<strong>in</strong>, aber wenn sich schon im zweiten<br />
Absatz überhaupt, <strong>in</strong>nerhalb der „E<strong>in</strong>führung“ drei Grammatikfehler<br />
halten konnten – nicht die e<strong>in</strong>zigen im Schriftbild der<br />
nächsten Seiten und im ganzen Textteil – so ist das ärgerlich und<br />
wirft e<strong>in</strong> eigenes Licht auf die Redaktion.<br />
Gleichwohl: Die <strong>in</strong>haltlichen Schwächen und sprachlichredaktionellen<br />
Schönheitsfehler können den Gesamtwert des<br />
Buches nicht aushebeln.<br />
Wer sich <strong>in</strong> Zukunft mit der Krön<strong>in</strong>ger Ware beschäftigen<br />
will, wird „den Grasmann“ von 2010 zur Hand nehmen und hernach<br />
klüger se<strong>in</strong> als er gedacht hat.<br />
Albrecht A. Gribl<br />
* Ingolf Bauer: E<strong>in</strong> Vilsbiburger schreibt Keramikgeschichte, <strong>in</strong>:<br />
Cornelia Renner und Peter Barteit (Hg.): E<strong>in</strong> Leben zwischen<br />
Milchweidl<strong>in</strong>g und Stichbogen. Festschrift für Lambert Grasmann<br />
zum 70. Geburtstag (Vilsbiburger Museumsschrift 9), Vilsbiburg<br />
2007, S. 30-34. E<strong>in</strong>e knappe Würdigung des Jubilars f<strong>in</strong>det sich<br />
auch <strong>in</strong> Museum heute 33 (Dezember 2007), S. 74.<br />
Lambert Grasmann: Die Hafner auf dem Krön<strong>in</strong>g und an der B<strong>in</strong>a.<br />
Straub<strong>in</strong>g 2010, 408 Seiten, zahlr., meist farb. Abbildungen, geb.,<br />
ISBN 978-3-936511-83-3