Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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DIETMAR BARTSCH<br />
Ein »Linksbündnis« wächst aus der Gesellschaft, nicht<br />
aus machtpolitischen Spielereien<br />
Mit dem Erfolg der Linkspartei bei westdeutschen Wählerinnen und Wählern tritt<br />
das bundesdeutsche Parteiensystem in eine neue Phase. Die Existenz einer demokratisch-sozialistischen<br />
Partei links von der SPD kann nicht mehr als ein vorüber<br />
gehendes ostdeutsches Nostalgie-Phänomen aus den strategischen Überlegungen<br />
der anderen Parteien ausgeklammert werden. Beteuerungen und Schwüre führender<br />
Sozialdemokraten, auf Bundesebene werde man nie die Absicht haben, mit der<br />
LINKEN ein Bündnis einzugehen, werden nur eine begrenzte Haltbarkeit haben,<br />
denn »Aussitzen« ist für die SPD keine rationale Gegenstrategie.<br />
In dem Maße, wie der innerparteiliche Druck in der SPD wächst, eine Koalition<br />
mit der LINKEN allein schon aus Gründen der Erhöhung der eigenen<br />
konstellationspolitischen Möglichkeiten nicht per se auszuschließen, werden die<br />
Zeiten für die LINKE ungemütlicher werden: Mobilisierung traditioneller<br />
antikommunistischer Ressentiments in der westdeutschen Wählerschaft, Instrumentalisierung<br />
der deutschen Zeitgeschichte für die parteipolitische Auseinandersetzung<br />
oder taktisch motivierte Differenzierungen zwischen »fundamentalistisch-populistischen«<br />
Linken einerseits und »gestaltungswillig-pragmatischen«<br />
Linken andererseits sind vermutlich nur ein Vorgeschmack im Vorfeld der<br />
Hessen/Niedersachsen-Wahlkämpfe auf den Bundestagswahlkampf. Sie zielen<br />
vor allem darauf ab, den weiteren Aufschwung der LINKEN einzudämmen, ihre<br />
inhaltlich-programmatische Entwicklung zu blockieren. Verschärfte Auseinandersetzungen,<br />
Klärung der politischen Profile stehen zwischen LINKE und SPD auf<br />
der Tagesordnung, nicht Gespräche zur Anbahnung von Bündnissen.<br />
Der außerordentliche Wahlerfolg bei der Bremer Bürgerschaftswahl hat bestätigt,<br />
dass DIE LINKE Wählerinnen und Wähler erreicht, die von der Sozialdemokratie<br />
nicht mehr angesprochen werden. Um die kulturellen und mentalen Gräben<br />
zu überbrücken, die die sozialdemokratische Modernisierung zu traditionellen<br />
Wählerschichten in der Arbeitnehmerschaft und unter den Arbeitslosen gerissen<br />
hat, wäre eine rigorose Wende der SPD erforderlich, die wiederum Verluste in der<br />
umworbenen »Mitte« bewirken würde. Die Aussichten für die SPD, um die vierzig<br />
Prozent der Stimmen zu bekommen und damit die Option für eine kleine Koalition<br />
mit den Grünen oder der FDP zu öffnen, sind nur gering. Deshalb wird hier<br />
und da über ein »Linksbündnis« – welches richtigerweise Mitte-Links-Bündnis<br />
heißen sollte – nachgedacht, gerne immer mit dem Zusatz »aber nur ohne Lafontaine«.<br />
Allein dies zeigt, wie weit ein solches Mitte-Links-Bündnis politisch entfernt<br />
ist: Was früher die SED-Herkunft der PDS leistete, soll nun der Hinweis auf die<br />
Person Lafontaine erfüllen: Ersatz für eine politische Debatte darüber, was Grund-<br />
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