Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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weltmeister und europäischer Lohndrücker Nr. 1. Dieser Widerspruch taucht in<br />
vielen Gestalten auf: in der Debatte um die Managergehälter, um Mindestlöhne,<br />
um wachsenden Reichtum und wachsende Armut, um soziale Integration und Unternehmenssteuerreform,<br />
um betriebswirtschaftliche Renditemaßstäbe oder nachhaltige<br />
volkswirtschaftliche Krisenbewältigung.<br />
Der Neoliberalismus kann diese Widersprüche nicht mehr glaubhaft erklären,<br />
geschweige denn die heraufziehende dreigeteilte Gesellschaft zusammenhalten.<br />
Welche Zukunft ein Mitte-Links-Bündnis hat, hängt davon ab, ob dieses Bündnis<br />
eine neue soziale Idee in die Gesellschaft tragen, den vorhandenen Brüchen, Alltagserfahrungen<br />
und unterschiedlichen sozialen Interessen einen politischen Ausdruck<br />
geben kann, mit dem eine gesellschaftliche Mehrheit einen Fortschritt auch<br />
für die eigenen persönlichen Verhältnisse verbindet.<br />
Ein in der Gesellschaft mehrheitsfähiges Mitte-Links-Bündnis, das sich eine<br />
politische Perspektive erarbeiten will, braucht entschiedene Antworten auf einige<br />
elementare Fragen, die uns Kohl und Schröder hinterlassen haben:<br />
Wenn die Gesellschaft akzeptiert und daran festhält, dass Erwerbsarbeit wesentlicher<br />
Bestandteil für das Selbstwertgefühl ihrer Mitglieder ist, dann muss<br />
endlich entschieden in den Aufbau von Erwerbsarbeit investiert werden, was nach<br />
Lage der Dinge nur heißen kann: mehr Mittel für die kollektive Finanzierung der<br />
Gemeinwesenarbeit, der öffentlich geförderten Arbeit.<br />
Wenn Erwerbsarbeit die zentrale Vermittlungsinstanz zur Teilhabe an der gesellschaftlichen<br />
Produktion und Reproduktion ist, dann muss die Gesellschaft<br />
bzw. ihre politische Instanz, der Staat, einen neuen Deal mit den von der Erwerbsarbeit<br />
zwanghaft ausgeschlossenen Bevölkerungsteilen herstellen: solange<br />
die vorhandene Erwerbsarbeit ungerecht zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen<br />
verteilt ist, haben die Erwerbslosen mindestens ein Recht auf eine auskömmliche<br />
soziale Grundsicherung. Und wenn Erwerbsarbeit weiterhin ihre zentrale gesellschaftliche<br />
Rolle spielen soll, dann müssen sich Politik und Gesellschaft auch um<br />
die Neubestimmung der Grenzen zwischen Arbeit und Leben, zwischen Betrieb<br />
und Familie kümmern.<br />
Wenn Erwerbsarbeit das zentrale Scharnier zur gesellschaftlichen Teilhabe<br />
bleiben soll, dann müssen ihre gerechte Verteilung und die Begrenzung von ständigen<br />
Flexibilitäts- und Verfügbarkeitsanforderungen Hand in Hand gehen, um<br />
die Zeit für das Persönliche, für Bildung, Kultur, Geselligkeit und für demokratische<br />
Partizipation zu schützen.<br />
Ein Mitte-Links-Bündnis als ein gesellschaftliches, politisches Bündnis im Interesse<br />
der Arbeitnehmerschaft und des sozialen Ausgleichs hätte dies als erste<br />
Aufgabenstellung zu meistern.<br />
Wenn soziale Integration, wenn gleiche Chancen, soziale Teilhabe und demokratische<br />
Partizipation gesellschaftliche Ziele bleiben sollen, dann muss sich die<br />
Gesellschaft vom Markt emanzipieren, Barrieren gegen das weitere Vordringen<br />
marktwirtschaftlicher Prinzipien in den öffentlichen Bereich errichten und die Un-<br />
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