Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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Partei und Bewegung – ein bewegtes Verhältnis<br />
Bereits bei der ersten Verständigung im Parteivorstand wurde darauf orientiert, im<br />
Herangehen an die Gipfelproteste an die Erfahrungen mit den Montagsdemonstrationen<br />
anzuknüpfen. Angedacht war also eine organisatorische wie inhaltliche<br />
Beteiligung, die wahrnehmbar ist, ohne vereinnahmend zu sein. Soweit die von<br />
unserer Seite angestrebte Herangehensweise.<br />
Um es vorweg zu nehmen: Während der Protestwoche funktionierte die Zusammenarbeit<br />
zwischen der Vertreter/-innen der LINKEN und den Bündnispartner/-innen<br />
hervorragend. Doch dies war in der Vorbereitungsphase nicht immer<br />
so. Anfangs befürchtete das Bündnis, eine Identifizierung der Proteste allein mit<br />
PDS und WASG würde andere Parteien abschrecken. Dieses Argument war ernst<br />
zu nehmen. Deswegen vereinbarten wir, unsererseits bis zu einem gewissen Zeitpunkt<br />
Zurückhaltung zu wahren. Wir versuchten sogar über persönliche Gespräche,<br />
bewegungnahe Akteur/-innen bei SPD und Grünen für eine Beteiligung<br />
zu gewinnen – leider recht erfolglos. Ein Friedensaktivist aus Rostock brachte das<br />
unterschiedliche Agieren der Parteien wie folgt auf den Punkt: »Die Grünen kümmern<br />
sich um Redezeit von Claudia Roth auf der Kundgebung. Die Linkspartei organisiert<br />
die Regale fürs Protestzentrum.«<br />
Obwohl Mitglieder von Linkspartei.PDS und WASG durch Geld- und Sachspenden,<br />
durch die Übernahme von Praktikumsverträgen, durch Bestellen von<br />
Bussen, durch das Organisieren von Räumen usw. usf. praktisch Hand anlegten,<br />
war lange Zeit umstritten, ob wir im G8-Koordinierungskreis offiziell mitwirken<br />
dürfen und ob wir unseren Redner bzw. unsere Rednerin uneingeschränkt selbst<br />
bestimmen können. In der letzten Frage konnten wir uns leider nicht durchsetzen.<br />
Die Beteiligung im Koordinierungskreis war zumindest von Seiten von attac bis<br />
zuletzt in Frage gestellt, das Problem wurde aber auf der Arbeitsebene gelöst. Um<br />
sein Agieren zu begründen, brachte der Koordinierungskreis von attac eine Erklärung<br />
zum Verhältnis von Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen zu Parteien<br />
heraus 4 . Darin wird die unterschiedliche Funktionslogik von Parteien und<br />
4 Im Sinne der Transparenz und zur besseren Nachvollziehbarkeit der Debatte wir hier die gesamte Erklärung<br />
dokumentiert:<br />
Erklärung des Attac Koordinierungskreises zum Verhältnis von Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen zu<br />
Parteien<br />
1. Die wesentliche Funktion von Parteien ist es, Wahlen zu gewinnen und auf dieser Grundlage möglichst (mit)<br />
zu regieren. Dazu treten Parteien in direkte Konkurrenz zueinander. Parteien sind Teil des formellen politischen<br />
Systems.<br />
2. Die Funktion von Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen ist eine andere. Sie agieren außerhalb des formellen<br />
politischen Systems. Sie versuchen an einem Thema oder einem Problemfeld das Meinungsklima in der<br />
Gesellschaft zu beeinflussen, ohne parlamentarische Vertretung oder Regierungsbeteiligung anzustreben.<br />
3. Auch wenn es inhaltliche und politische Übereinstimmungen zwischen einer Partei und Teilen der Zivilgesellschaft<br />
und sozialen Bewegungen geben kann, folgen die beiden Akteurstypen in Strukturen und Dynamik also einer<br />
unterschiedlichen Logik und spielen gesellschaftlich verschiedene Rollen.<br />
4. Dies ist keine Bewertung der Unterschiede, sondern eine Feststellung.<br />
5. Für das Verhältnis von Parteien zur Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen ist darüber hinaus die Kon-<br />
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