06.08.2013 Aufrufe

Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc

Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc

Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ternehmensgewinn beteiligt. Aus ihren Aufstiegserfahrungen heraus wünschen sie<br />

sich eine Gesellschaft, die Leistung honoriert und fördert. Aber sie wissen auch,<br />

dass das nicht von allein kommt: Sie erwarten Unterstützung durch staatliche Leistungen<br />

und staatliche Förderung, um es schaffen zu können. Sie sind zur Übernahme<br />

sozialer Verantwortung bereit und setzen auf persönliche Weiterentwicklung.<br />

Ein gutes Leben misst sich für sie sowohl an materieller Anerkennung als<br />

auch an Demokratie und Toleranz. Es gibt unter ihnen einen überdurchschnittlich<br />

hohen Anteil an kleinen Selbständigen.<br />

Die bedrohte Arbeitnehmermitte dagegen gehört vor allem der Kerngruppe der<br />

Industriearbeiterschaft an, die im Zentrum des »Modells Deutschland« stand und<br />

sich nun gefährdet sieht. Es ist die frühere SPD-Stammwählerschaft. Sie sieht sich<br />

von dieser Partei und vom Staat überhaupt allein gelassen. Nicht Aufstiegshoffnungen,<br />

sondern Abstiegsängste prägen sie. Sie setzen nicht auf den freien<br />

Wettbewerb, sondern auf die gesellschaftliche Absicherung. Sie verlangen deshalb<br />

sozialen (und auch nationalen) Schutz. In der Standortkonkurrenz und der Verwandlung<br />

des Sozialstaats in einen Wettbewerbsstaat sehen sie eine unmittelbare<br />

Bedrohung.<br />

Wie bei den oberen Mittelschichten ist die Spaltung dieser unteren Mitte der<br />

Gesellschaft sozial-ökonomisch und durch direkte persönliche Berufserfahrungen<br />

bedingt. Beide Gruppen, die zufriedenen Aufsteiger wie die bedrohte Arbeitnehmermitte,<br />

sind in Sektoren oder Funktionsbereichen mit unterschiedlichen Logiken<br />

zentriert. Sie sind in je anderer Weise in die gesellschaftliche Arbeitsteilung<br />

integriert und auf je andere Weise mit Märkten und dem Staat konfrontiert. Auch<br />

sie haben deutlich unterschiedliche Einstellungen zum Verhältnis von Staat und<br />

Wirtschaft sowie von Führung und Demokratie (Grafik 4). Aber anders als bei den<br />

oberen Gruppen geht insbesondere bei der bedrohten Arbeitnehmermitte die Befürwortung<br />

staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft mit der Befürwortung von autoritärer<br />

Führung teilweise Hand in Hand. Zustimmung und Ablehnung halten sich<br />

bei der bedrohten Arbeitnehmermitte die Waage.<br />

Das Unten der Gesellschaft<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg ähnelte die Bundesrepublik einer Fahrstuhlgemeinschaft,<br />

in der alle nach oben fuhren – auch die, die sich auf dem immer besser gepolsterten<br />

Boden dieses Fahrstuhls einrichten mussten. Mit der neoliberalen<br />

Wende wurde dem Fahrstuhl dieser Boden ausgeschlagen. Befreit vom »Ballast«<br />

können die oberen Gruppen nun schneller aufwärts steigen. Wer über hinreichend<br />

soziales, wirtschaftliches und kulturelles Kapital verfügt, krallt sich mit aller<br />

Macht an den immer schwächeren Halteriemen fest. Die Angst kettet die Mitte an<br />

diese Politik. Der schwächere Rest der Gesellschaft aber fällt.<br />

Anders ausgedrückt: »In den letzten Jahren haben sich die unteren und mittleren<br />

Lagen zunehmend voneinander entkoppelt. Spätestens wenn ihre Kinder in<br />

das schulpflichtige Alter kommen, ziehen diejenigen, die es sich leisten können,<br />

26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!