Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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sozialen Lebenslagen und kulturellen Praxen zum Ausdruck. Deshalb sollte die<br />
Linkspartei ihre Vielfalt als Gewinn, als eine nutzbar zu machende Produktivkraft<br />
ansehen. So hätte sie die Chance, ihren in allen drei Etagen der Gesellschaft bestehenden<br />
Einfluss auszubauen und sich zur echten linken Volkspartei weiterzuentwickeln.<br />
Zudem können programmatische Debatten der Integration der Mitgliedschaft<br />
in die Partei und der Partei in die Gesellschaft dienen.<br />
Für die Akteure steht die Konfliktdimension »arm/reich« unbestritten im Zentrum.<br />
Eine der spannenden Fragen wird sein, wie sich ihr Verhältnis zur zweiten<br />
relevanten gesellschaftlichen Konfliktdimension »libertär/autoritär« entwickeln<br />
wird. Die Studie hat ergeben, dass die zweite Konfliktdimension nur für wenige<br />
Akteure relevant ist (bei den WASG-Akteuren gar nicht). Hier könnte einerseits<br />
ein gravierender innerparteilicher Konflikt entstehen, und zugleich würde mit dem<br />
Verhältnis zu Bürgerrechten und Demokratie über die gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit<br />
der Linkspartei entschieden werden.<br />
Die sich formierende Linkspartei wird gespeist durch unterschiedliche Ambitionen,<br />
Strömungen, Tendenzen und Identitäten. Es wird darauf ankommen, sie<br />
zu integrieren und auf dieser Basis handlungsfähig zu sein. Die Akteure geben vor,<br />
dass sie daran interessiert sind und gemeinsame Praxis und Diskussionen für notwenig<br />
erachten. Positiv im Sinne der Parteiformierung ist, dass die Differenzen<br />
zwischen den Akteuren häufig quer zu den ursprünglichen Parteimitgliedschaften<br />
verlaufen. Dennoch fällt auf, dass die Akteure teilweise scharfe Kritik am politischen<br />
Partner üben und einige dabei zugleich frei von jedem Selbstzweifel sind.<br />
Die Interviews haben auch ergeben, dass diese Linke nicht die Linke einer Strömung<br />
sein kann. Jeder Versuch, die Partei einer der Strömungen unterzuordnen,<br />
wäre das Ende der neuen Linken. Sie benötigt die Pluralität, sie realisiert sich als<br />
dialogisches Projekt und zugleich als ein Handlungsprojekt. Vor den Strömungen<br />
steht die Frage, ob sie sich als traditionelles Mittel zur innerparteilichen Machtund<br />
Einflussgenerierung verstehen, oder vielmehr als Orte der aufeinander Bezug<br />
nehmenden Debatte. Widersprüche müssten nicht als Problem, sondern könnten<br />
als lösungsorientierte Kraft verstanden werden. Ob dies gelingt, ist offen.<br />
Gerade aus Sicht einer großen Zahl der befragten PDS-Akteure werden unterschiedliche<br />
parteiinterne Praxen zwischen PDS und WASG beschrieben. Immer<br />
wieder wird die Sorge vor autoritären Politikstilen und innerparteilichem Demokratieverlust<br />
formuliert und der Umgang damit als ein wichtiges Kriterium für das<br />
Gelingen des Projektes beschrieben. Denn ob Veränderungsprozesse gelingen,<br />
hängt zu einem entscheidenden Teil davon ab, ob die davon Betroffenen auch<br />
zukünftig Mitwirkungs-, Entscheidungs- und Identifikationsmöglichkeiten behalten.<br />
Der Hinweis von <strong>Michael</strong> Chrapa sei in Erinnerung gerufen, dass Parteien<br />
komplexe Mechanismen sind, die nicht beliebig gestaltbar sind. 40<br />
40 <strong>Michael</strong> Chrapa: Parteien der Zukunft (Ms. vom 18.05.2002), www.gegenentwurf-muenchen.de/partchra.htm,<br />
S. 9.<br />
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