Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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Auffällig ist bei einer großen Zahl der befragten PDS-Akteure die Haltung,<br />
dass die WASG als aufkommende Konkurrenz angesehen wurde, gegenüber der<br />
Zweifel und Skepsis angebracht waren und deren Absichten und Perspektive unklar<br />
schien. Die Mehrzahl der befragten WASG-Akteure betont hingegen die Aufbruchssituation<br />
ihrer Partei, die entstehende Dynamik, die Unterschiedlichkeit der<br />
neu hinzukommenden Kräfte, kurz: »Und die, die da waren, die haben gespürt, da<br />
liegt was in der Luft« (F4). Deutlich schärfer fällt allerdings auch ihre Beurteilung<br />
der PDS aus. Sie wird charakterisiert als »unfähig, gesellschaftlich-seismographisch<br />
die Entwicklung aufzunehmen« sowie als »politisch angeschlagene und<br />
aus meiner Sicht eben unsensible Partei, ...die mit viel Geld (in NRW) kandidierte,<br />
damit aber in dem berühmten Ghetto hängen blieb.« (F3). Für den Westen wird sie<br />
überwiegend als Splittergruppe angesehen, »die auch nicht attraktiv war für<br />
Linke, die nicht mit der SPD einverstanden waren und die tatsächlich Politik machen<br />
würden, die über linke Milieupflege hinausgeht.« Und als Quintessenz:<br />
»Also die PDS war im Westen eine sterbende Partei.« (F4)<br />
Diese unterschiedlichen Sichtweisen der Akteure dokumentieren die Gegensätzlichkeiten<br />
der beiden Quellorganisationen, die auch extern wahrgenommen<br />
werden als »gewisse Asymmetrie, was die organisatorische Reife als politische<br />
Partei anbelangt. Die PDS war eben da, sie war eine politische Partei im<br />
klassischen Sinne mit allen Funktionen, die damit verbunden sind, das war die<br />
WASG nicht.« (G6)<br />
Die Bildung der WASG im Allgemeinen und der Wahlantritt der WASG in<br />
Nordrhein-Westfalen im Konkreten waren Folge des Repräsentationsvakuums<br />
links der SPD. Hieraus folgte die Überlegung, »wir brauchen insbesondere im Westen<br />
eine wählbare Alternative und die feste Überzeugung, dass das die PDS eben<br />
nicht erreicht hat«. Und auch wenn es »im Bundesvorstand nur wenige waren, die<br />
diesen Beschluss wirklich mit Herz und Flamme mitgetragen haben«, wurden<br />
Fakten im Verhältnis der beiden Parteien geschaffen, und es scheint sich zu bestätigen,<br />
»dass wir alles das, was wir bis jetzt erreicht haben, mit der NRW-Wahl<br />
eingeleitet haben.« (F2)<br />
Durch die Ankündigung Gerhard Schröders am NRW-Wahlabend, Neuwahlen<br />
des Bundestages durchzuführen, entstand schlagartig die Situation, »dass die beiden<br />
Parteien jetzt gezwungen waren, aufeinander zuzugehen, bei Strafe des eigenen<br />
Versagens« (G5). Mit einer Ausnahme schließen sich alle befragten Akteure<br />
letztendlich der Auffassung an, dass ein konkurrierender Wahlantritt höchstwahrscheinlich<br />
dazu geführt hätte, dass keine der beiden Parteien die Fünf-Prozent-<br />
Hürde übersprungen hätte und es »war natürlich auch klar, dass es nicht zwei Parteien<br />
links von der SPD auf Bundesebene geben kann« (F7).<br />
Die Gründe für diese erstaunlich schnelle Verständigung auf eine – wahlrechtlich<br />
wie auch immer geartete – gemeinsame Bundestagskandidatur bewerten die<br />
Akteure durchaus differenziert. Eine gewichtige Rolle spielt, insbesondere bei den<br />
PDS-Akteuren, die Haltung Oskar Lafontaines, sich bei einer gemeinsamen Kan-<br />
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