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Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc

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über Märkte zu organisieren sind. Gesellschaftliche Aufgaben wie zum Beispiel<br />

Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten bilden das soziale Kerngerüst<br />

einer Gesellschaft frei kooperierender Individuen. Das können Märkte nicht besser.<br />

Netzgebundene Infrastrukturen, Bildung und andere öffentliche Güter bilden<br />

erst die Voraussetzung für funktionierende Märkte.« 84<br />

Eine solche Herangehensweise impliziert die Vorstellung, dass Bereiche, die<br />

nicht marktförmig gestaltet sind, eigentlich nur ein Notbehelf sind (da Märkte<br />

es – leider? – nicht besser können). Zudem haben sie vor allem die Funktion,<br />

die Voraussetzung für funktionierende Märkte zu schaffen. Nicht etwa die<br />

großen und heute völlig unterfinanzierten Bereiche von Bildung, Gesundheit,<br />

Pflege, der Gesamtheit personenbezogener Dienstleistungen, der mühsamen<br />

und ungeheuer aufwendigen Sorge für die durch soziale Probleme, kulturelle<br />

Ausgrenzung, Kriminalität, Suchtfolgen usw. geprägten Gruppen stehen im<br />

Mittelpunkt, sondern Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten. Sie<br />

sollen das »soziale Kerngerüst« bilden für eine »Gesellschaft frei kooperierender<br />

Individuen«.<br />

Die sozialen und kulturellen Folgen von ständiger Unsicherheit, Bedrohung,<br />

Überforderung sowie Vereinsamung und Ghettoisierung überantworten die Autoren<br />

des Konzepts der »grünen Marktwirtschaft« (ernstgemeint?) dem rein freiwilligen<br />

Engagement und karitativer Tätigkeit. Dabei ist völlig klar: »Die Schichten<br />

und Gruppen …, die eine ‚Heimat in Zeiten stürmischen Wandels’ am meisten<br />

benötigen, verfügen oft gerade nicht über das Sozialkapital und die Ressourcen,<br />

die sie zu artikulations- und durchsetzungsfähigen Aktivbürgern machen könnten.«<br />

85<br />

Man hat das Gefühl, dass die Verfasser dieses Konzepts in einer Enklave von<br />

gut dotierten Eliten leben, in der alles zum freien Spiel freier Individuen geworden<br />

ist. Aber selbst in dieser Enklave könnte man sich über das »Elend der Welt«<br />

informieren 86 . Aus dieser selbstverschuldeten Isolation heraus ist verantwortungsvolle<br />

Gesellschaftsgestaltung unmöglich.<br />

Das Dokument »Grüne Marktwirtschaft« ist ein typisches Erzeugnis jener<br />

Sprache, die Stephan Kaufmann »Power-Speak« nennt: »Es ist die Sprache der<br />

Macht. Sie trägt Anzug und fordert Respekt, keine Freundschaft, sie verheißt<br />

Macht und Geld … Power-Speak erhebt seine Sprecher zu Experten und entlässt<br />

sie gleichzeitig aus der Verantwortung… Als bloß Ausführende der Welt-Maschine<br />

tragen sie keine Schuld. Ihre Aufgabe ist es nur, den Wandel voranzutreiben,<br />

weil (!) er ohnehin läuft.« 87<br />

84 Ebenda.<br />

85 Gerd Mielke: Solidarische Bürgergesellschaft – neues Leitbild oder Leerformel. In: Berliner Republik, Heft<br />

3/2007, S. 65.<br />

86 Pierre Bourdieu und andere: Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft.<br />

Konstanz 1997. Vgl. auch: Franz Schultheis, Kristian Schulz (Hg.): Gesellschaft mit begrenzter Haftung.<br />

Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag. Konstanz 2005.<br />

87 Stephan Kaufmann: Der Sound des Sachzwangs. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 3/2006,<br />

S. 371.<br />

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