Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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schen den Strömungen vermieden. Es finden sich lediglich einige Antworten, die<br />
darauf hindeuten, dass es »Ziel der ›Sozialistischen Linken‹ sein muss, eine der<br />
beiden Hauptströmungen zu werden« (F6).<br />
Wer hatte den entscheidenden Einfluss auf den Neuformierungsprozess?<br />
Diese Frage wird von den befragten Akteuren unterschiedlich eingeschätzt. Relativ<br />
viele sehen die Parteivorstände bzw. die von ihnen eingesetzten Steuerungsgruppe<br />
als entscheidende Kräfte an. Parallel hierzu wird im Besonderen die Rolle<br />
von führenden Personen gesehen. Sowohl beim Agenda-Setting als auch bei der<br />
Kontrolle des Gesamtprozesses sei der Einfluss von Lafontaine, Gysi, Bisky und<br />
einigen wenigen anderen maßgeblich. Sie seien es gewesen, die im Zuge des Prozesses<br />
ihre Veto-Macht hätten ausspielen können. Insofern sei es »ein Kräftegleichgewicht<br />
verschiedener Faktoren«, und »einen starken Einfluss haben zentristische<br />
Tendenzen, Tendenzen, die den Prozess über alles stellen.« (F4)<br />
Erinnert werden soll an die Relevanz, die Gregor Gysi und vor allem Oskar Lafontaine<br />
beim Start des Projekts beigemessen wurde. Unabhängig davon, ob Kritik<br />
an ihnen geäußert wird, steht für viele Akteure fest, dass es ohne die beiden<br />
nicht funktioniert hätte. Lafontaines Rolle ist noch einmal eine besondere, denn<br />
»ohne einen Prominenten aus dem Westen wäre es nicht gegangen, so wie es gegangen<br />
ist« (E1). Ohne ihn hätte es die Hinwendung der WASG zur Linken in Ostdeutschland<br />
nicht gegeben. Von externen Beobachtern wird allerdings auch auf<br />
die Problematik verwiesen, dass die hervorgehobene Rolle einzelner häufig ein Indikator<br />
für eine substanzielle Schwäche der Parteibasis sei. Hiermit müsse die<br />
Partei umzugehen lernen. »Die Prominenten sind wichtig für die Außendarstellung.<br />
Nach innen ist es ganz wichtig, dass die Mitgliedschaft die entsprechenden<br />
demokratischen Mitwirkungsrechte hat und ein entsprechendes Selbstbewusstsein<br />
entwickelt.« (G2)<br />
Es verwundert nicht, dass in den Interviews mehrfach der Hinweis auf die<br />
Rolle und den Einfluss der hauptamtlichen Funktionäre erfolgt. »Das kennen wir<br />
ja schon seit Robert Michels 34 Gesetz der Parteienoligarchie, dass immer da, wo<br />
Politikprozesse sind, auch ein Bestreben da ist, Machtpositionen zu besetzen, und<br />
zwar sowohl persönlich Machteinfluss zu haben als auch materielle Interessen damit<br />
zu vertreten, auch wenn das nicht immer unbedingt bewusst geschieht.« (G6)<br />
Das sei auch nicht per se illegitim. Aber es müsse diskutierbar bleiben.<br />
Die Bewertung der Rolle der Bundestagsfraktion ist denn auch vom jeweiligen<br />
Abstand der Akteure zu ihr beeinflusst. Insbesondere von ihren Mitgliedern<br />
heißt es, sie sei Garant dafür, dass die Linke in der Öffentlichkeit überhaupt zur<br />
Kenntnis genommen würde, derzeit der einzige Ausweis für das Funktionieren einer<br />
gemeinsamen Linken und »logischerweise ist sie diejenige, die jetzt mit ...<br />
Hunderten von Mitarbeitern in der Lage (ist), programmatische Positionen auszuformulieren<br />
und weiterzuentwickeln« (F2).<br />
34 Gemeint ist der Klassiker der Parteiensoziologie: Robert Michels: Zur Soziologie des Parteienwesens in der<br />
modernen Demokratie. Stuttgart 1894 (1911).<br />
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