Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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didatur von PDS und WASG als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stellen. Er hat<br />
die »historische Situation auf den Punkt gebracht und mit seiner Person verbunden.«<br />
(E4) Verstärkt wurde dies, nachdem auch klar war, dass Gregor Gysi für das<br />
gemeinsame Projekt zur Verfügung stand. Von einigen WASG-Akteuren wird angemerkt,<br />
dass Lafontaines Angebot zwar den Druck verstärkt hätte, »aber eigentlich<br />
nicht der Auslöser« gewesen sei. Denn, »dass wir das gemeinsam wollten,<br />
wussten wir eigentlich schon vorher, weil es relativ klar war, dass wir sonst keine<br />
Chance hatten bei den Wahlen.« (F1) Der entstandene Erwartungsdruck durch<br />
Mitglieder und die linke Öffentlichkeit wird meistens durchaus positiv gesehen.<br />
Eine Einzelmeinung bleibt in diesem Kontext, dass das »ein Stück weit was von<br />
Erpressung auch der WASG-Mitgliedschaft« (F5) hatte. Auch bei den Externen<br />
wird der extreme Zeitdruck und die Alternativlosigkeit der Situation benannt.<br />
Nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass es bereits vor der NRW-Wahl in<br />
beiden Parteien Debatten über Sinn und Zweck von Kooperationen gab 22 , die allerdings<br />
ohne positive Ergebnisse geblieben waren. Genauso gab es bereits vorher<br />
zwischen Lothar Bisky, Oskar Lafontaine und anderen Verabredungen, sich im<br />
Vorfeld der ursprünglich für 2006 geplanten Bundestagswahl über ein gemeinsames<br />
Handeln zu verständigen. Ende Mai 2005 entstand jedoch eine Situation, in<br />
der »man etwas machen (muss), bevor sich das Zeitfenster wieder schließt« (E6).<br />
Neben der Gefahr der Konkurrenzkandidatur sehen WASG-Akteure auch nüchtern<br />
die Situation ihrer Partei: »... wenn man allein die Finanzlage der Partei<br />
kannte, war klar ..., wir hätten überhaupt nicht, nicht einmal in Ansätzen, einen<br />
Wahlkampf 2005 führen können.« (F2) Darüber hinaus vertreten Akteure beider<br />
Seiten die Auffassung, dass es in den damaligen Debatten bereits um mehr ging<br />
als um nüchterne wahltaktische und organisatorische Überlegungen. »Die Linke<br />
ist noch immer in einem Prozess, sich generell neu ... zu formieren und hat möglicherweise<br />
... eine Chance, traditionelle Spaltungen zu überwinden« (E13) und so<br />
kann es vielleicht gelingen »eine starke linke Partei in ganz Deutschland zu schaffen«<br />
(F4). So entstand neben der Wahlfrage die Situation, »dass zumindest die<br />
Idee einer neuen Linkspartei bei einer ganzen Reihe von Protagonisten und Protagonistinnen<br />
durchaus an Charme gewonnen hatte. ... eine neue Linkspartei zu<br />
kreieren, die ein bisschen mehr ist als die Summe der Mitglieder der bisherigen<br />
Parteien. ... diese Idee hat zumindest bei den Sympathisanten und Sympathisantinnen<br />
und Mitgliedern dazu geführt, dass man sich diesem Prozess auch mit Hoffnungen<br />
und mit Optimismus genähert hat.« (E3)<br />
In einzelnen Interviews mit WASG-Akteuren wird deutlich, dass sie sich eigentlich<br />
mehr Zeit für eine eigenständige Parteientwicklung und Profilbildung der<br />
WASG gewünscht hätten. Aber auch wenn es bei dem einen oder der anderen Bedenken<br />
gab, und der Prozess zum damaligen Zeitpunkt in beiden Parteien kontro-<br />
22 Vgl. <strong>Michael</strong> <strong>Brie</strong>: Ist die PDS noch zu retten? A. a. O.; Rainer Rilling, Christoph Spehr: Die Wahl 2006, die<br />
Linke und der jähe Bedarf an Gespenstern. rls standpunkte 6/2005.<br />
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