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Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc

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ichterstattung nur noch das Zerwürfnis innerhalb der G8-Kritiker/-innen eine<br />

Rolle gespielt und das argumentative Rüstzeug gegen den angeblichen Sachzwang<br />

Globalisierung wäre komplett unter dem Tisch gefallen. Zudem lieferten die Ausschreitungen<br />

genau die Bilder, die Schäuble, Beckstein und Co. sich sicherlich<br />

gewünscht hatten, um ihre massiven Repressionen im Vorfeld zu rechtfertigen.<br />

Die wenigen Steinewerfer/-innen haben ergo all denjenigen, die zum Sturm auf<br />

demokratische Grundrechte blasen wollen einen großen Dienst getan.<br />

Das Verhältnis der LINKEN zur Gewalt sollte kein taktisches, sondern ein prinzipielles<br />

und von einer klaren Bejahung der Gewaltfreiheit geprägt sein. Die Frage<br />

ist jedoch: Wie reagiert man, wenn es zu Ausschreitungen kommt? Ist es klug und<br />

hilfreich, sofort unter dem Eindruck der ersten spektakulären, empörten Presseberichte<br />

mit pauschalen Distanzierungen gegenüber dem Schwarzen Block in die<br />

Öffentlichkeit zu gehen? Ist es im Sinne der Aufklärung, sofort und ohne genaue<br />

Kenntnis der Ereignisse vor Ort als Ferndiagnose eine Beurteilung und Schuldzuschreibung<br />

zu verfassen? 6 Ist es sinnvoll, die Polizei in einer Phase der Ausschreitungen<br />

für Ihren Einsatz zu loben und damit den Schwarzen Peter für die<br />

Ausschreitungen ohne gründliche Untersuchung und kollektiv dem so genannten<br />

Schwarzen Block zuzuschieben? Die gründliche Aufarbeitung hat mich darin bestärkt,<br />

all diese Fragen verneinen.<br />

Die ersten Angaben zur Zahl der verletzten Polizist/-innen erwiesen sich hochgradig<br />

übertrieben. Die Pressearbeit der Polizeieinheit Kavala war von vielen haltlosen<br />

Unterstellungen geprägt. Es verdichten sich die Indizien, wonach Steinwürfe<br />

von eingeschleusten Polizeiprovokateuren ausgegangen sind. Fakt ist – und<br />

davon habe ich mich selbst direkt vor Ort bei stundenlangen und letztlich erfolgreichen<br />

Deeskalationsversuchen überzeugen können – der überwiegende Teil des<br />

so genannten Schwarzen Blocks verhielt sich während der Kundgebung friedlich<br />

und hat an der Deeskalation mitgewirkt. Das Vorgehen von Teilen der Polizei hingegen<br />

trug nicht immer dazu bei, die Ausschreitungen zu beenden, sondern heizte<br />

im Gegenteil die Stimmung noch an. So stießen beispielsweise immer wieder<br />

kleine Stoßtrupps der Polizei in die inzwischen beruhigte Kundgebung vor, um<br />

einzelne Personen herauszuzerren und festzunehmen.<br />

Wir als LINKE haben gut daran getan, in dieser Phase besonnen zu reagieren.<br />

Die Akteur/-innen der LINKEN vor Ort haben sich auch in für sie persönlich gefährlichen<br />

Situationen aktiv um Deeskalation bemüht. DIE LINKE hat sich nicht<br />

dazu hinreißen lassen, sich von der Protestbewegung zu distanzieren. Es gibt Situationen,<br />

da ist die Presselage erdrückend und hegemonial im Sinne eines Distanzierungsgebotes.<br />

So gerechtfertigt die klare Verurteilung von Gewalt gerade<br />

bei dieser Kundgebung war, linke Politik muss sich gerade in schwierigen Situationen<br />

die Freiheit nehmen, ihr Urteil unabhängig von wie auch immer gearteten<br />

Distanzierungsgeboten der Presse zu fällen. Innere Freiheit von Erpressbarkeit<br />

6 So geschehen im Papier »In der Sackgasse«, rls-Standpunkte 09/2007 von Lutz Brangsch und <strong>Michael</strong> <strong>Brie</strong>.<br />

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