Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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Nach heftigen innerparteilichen Debatten beschloss die Linkspartei auf einem<br />
Sonderparteitag mehrheitlich mit folgenden Forderungen in die Sondierungsgespräche<br />
zu gehen: keine Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, keine<br />
Studiengebühren, Einstieg in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor<br />
(ÖBS), Einstieg in die Gemeinschaftsschule, kostenfreie Kita und ein Landesprogramm<br />
gegen Rechtsextremismus. Diesen Forderungen stimmte die SPD in den<br />
Sondierungsgesprächen zu. Der Sonderparteitag der Berliner Linkspartei im Dezember<br />
2006 votierte mit großer Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition.<br />
Erstmalig wurde jeder einzelne Schritt auf dem Weg in die neue Koalition mit<br />
der Parteibasis, den Parteigremien auf Bezirks- und Landesebene, den Mandatsträgerinnen<br />
und trägern aus den Bezirken, den Abgeordneten der Fraktion des<br />
Abgeordnetenhauses, den Mitgliedern in der Regierung diskutiert, bevor die Entscheidungen<br />
getroffen wurden, bevor der Parteitag nun auf einem deutlich höherem<br />
Niveau die Frage nach der Fortsetzung der rot-roten Koalition diskutierte und<br />
entschied. Für ungeklärte Fragen wie Verkauf der Gewerbeansiedlungsgesellschaft<br />
(GSG) und Erhöhung der Wasserpreise wurden zusätzlich parteiöffentliche<br />
Foren organisiert.<br />
Dass diese neue partizipative und transparente Kultur der Berliner Linken<br />
immer wieder neu durchgesetzt werden muss, dass sie anfällig bleibt, zeigt<br />
der Umgang mit der Aufhebung des Ladenschlussgesetzes. Das Problem hierbei<br />
waren weniger die Inhalte dieser Regelung – die realen Ladenöffnungszeiten<br />
entsprachen bundesweit und ebenso in Berlin längst nicht mehr der bestehenden<br />
Gesetzeslage –, sondern es wurde zum bundespolitischen Symbol für die vermeintliche<br />
Fortsetzung neoliberaler Politik und für schnelle Entscheidungen an<br />
den Parteigremien, einschließlich des Berliner Landesvorstandes, vorbei.<br />
Alternative Projekte und reale Umsetzungen<br />
Bis 2006 standen die Gestaltungsziele linker Politik unter dem Diktat einer extremen<br />
Haushaltsnotlage und der deshalb eingereichten Klage. Das hieß konkret,<br />
dass alles, was Berlin an sozialer Infrastruktur, als so genannte Ausstattungsvorsprünge,<br />
besaß, wo sich die Linkspartei nicht durchsetzen konnte, sozial gestaffelt<br />
abgebaut wurde. Dennoch lässt sich linke Regierungspolitik in Berlin nicht auf<br />
eine sozial ausbalancierte Sparpolitik reduzieren. Sie war auch ein Versuch sich<br />
gegen den neoliberalen Mainstream zu behaupten. Und dies vor dem Hintergrund<br />
komplizierter Beziehungen zu den Gewerkschaften und schwachen sozialen Bewegungen<br />
34 . Die hier skizzierten Gestaltungsziele und realen Umsetzungen sollen<br />
nur beispielhaft für unterschiedliche Ansätze, Erfolge und Probleme stehen.<br />
34 Nach dem Ausklang der Montagsdemonstrationen und den Studentenprotesten gegen Studiengebühren und Studienkonten<br />
2004/2005, an denen sich die PDS beteiligte und die sie unterstützte, gab es in Berlin keine nennenswerten<br />
sozialen Bewegungen, das Wirken einzelner Initiativen blieb weitgehend marginal. Anders dagegen die<br />
partei- und organisationsübergreifenden Initiativen gegen Rechtsextremismus und Versuche der NPD, das Versammlungsrecht<br />
wie am 8. Mai 2005 zu missbrauchen.<br />
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