Michael Brie, Cornelia Hildebrandt, Meinhard Meuche-Mäker - eDoc
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Zusammen mit den tiefen Einschnitten bei der Bereitstellung öffentlicher Dienst<br />
leistungen haben die unteren Gruppen der Gesellschaft schwere Zeiten hinter sich<br />
und wahrscheinlich – so sehen sie es – noch schwerere vor sich.<br />
Und doch gibt es einen Unterschied zwischen den Mitte-Links- und den Mitte-<br />
Rechts-Bündnissen. In der Gesellschaft der Bundesrepublik haben die sozialen<br />
Werte gegenüber von denen der Marktfreiheit eine klare Hegemonie. So hielten<br />
2006 83 Prozent soziale Gerechtigkeit, aber nur 26 Prozent das freie Spiel der<br />
Marktkräfte für sehr wichtig bzw. wichtig. Nur noch ein Fünftel der Bürgerinnen<br />
und Bürger sieht das Wirtschaftssystem als wirklich sozial an. Freiheit von sozialer<br />
Not (78 Prozent) und Solidarität (77 Prozent) stehen weit vor Gewinnstreben<br />
(23 Prozent). Die sozialen Werte in Kombination mit Werten wie Gleichberechtigung<br />
von Mann und Frau (81 Prozent), Verantwortung für kommende Generationen<br />
(79 Prozent), Weltoffenheit und Toleranz (69 Prozent) sowie Pflichterfüllung<br />
(71 Prozent) und Ordnung (67 Prozent) bilden in einer gemäßigten Kombination<br />
mit Selbstverantwortlichkeit (56 Prozent) und Leistungsorientierung (50 Prozent)<br />
den widersprüchlichen Kern des Wertehaushalts der Bevölkerung in Deutschland 49 .<br />
»Entgegen dem immer wieder zitierten Mythos einer ›Kultur der Mitte‹«, so<br />
Gerd Mielke, verortet die ... nationale Wahlstudie 2002 ... 44,3 Prozent der Befragten<br />
links von der Mitte; 29,3 der Befragten siedeln sich in der Mitte an; und<br />
nur 26,4 % platzieren sich rechts von der Mitte.« 50 Entlang der Achsen soziale Gerechtigkeit<br />
vs. Marktfreiheit und libertären vs. autoritären Orientierungen sind die<br />
Mehrheitseinstellungen deutlich ins Soziale und leicht ins Libertäre verschoben.<br />
72 Prozent fordern mehr Engagement der Politik für soziale Gerechtigkeit. Anders<br />
gesagt: Eine demokratische soziale Politik kann Mehrheiten mobilisieren. Der Widerspruch,<br />
dem sie ausgesetzt ist, ist geringer als der, mit dem eine marktliberale<br />
Politik konfrontiert ist. Der Mehrheitskonsens in der deutschen Gesellschaft hat<br />
sich deutlich nach links verschoben.<br />
Das Wirken der Großen Koalition seit 2005 steht im Widerspruch zu diesem<br />
Mehrheitskonsens. Zwar wird der Regierung von 70 Prozent der Bevölkerung<br />
attestiert, dass sie bessere Bedingungen für Unternehmen und die Wirtschaft<br />
geschaffen hat, ihr wird von 66 Prozent auch der Einsatz für den Klimaschutz,<br />
von 50 Prozent die Verbesserung der Situation von Familien zuerkannt und von<br />
48 Prozent die wirksame Verringerung der Arbeitslosigkeit. Aber nur 29 Prozent<br />
sehen, dass dabei für mehr Gerechtigkeit gewirkt wird, nur 28 Prozent sehen, dass<br />
sich diese Regierung für die Arbeitnehmer einsetzt. Nur 20 Prozent können erkennen,<br />
dass das System der Gesetzlichen Krankenkasse zukunftsfähig gemacht<br />
wurde, und gerade 19 Prozent sehen Fortschritte bei der langfristigen Sicherung<br />
der Rente. 78 Prozent sind der Auffassung, dass diese Regierung nicht dafür gesorgt<br />
habe, dass es ihnen besser gehe. 51<br />
49 Gero Neugebauer: Politische Milieus in Deutschland. A. a. O., S. 48-50.<br />
50 Gerd Mielke: Das bedrohte Sein prägt das Bewusstsein. In: Frankfurter Rundschau vom 19. Juli .2004.<br />
51 ARD-DeutschlandTrend, August 2007.<br />
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