Jahresbericht 2009/2010 - iAi
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Innovationsmanagement<br />
Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zeigt zudem, dass kreative Innovationstreiber<br />
ihren Arbeitgeber im Vergleich zu anderen Mitarbeitern überdurchschnittlich häufig verlassen, weil sie sich an<br />
ihrem Arbeitsplatz nicht wohlfühlen. Das kommt schnell vor, „wenn jemand radikale Neuerungen anstößt und<br />
dann auf Widerstände und eingefahrene Strukturen stößt“, sagt LMU-Professor Dietmar Harhoff. Eine gute Arbeitsatmosphäre<br />
und die Anerkennung ihrer Arbeit zählten für sie mehr als finanzielle Anreize. „Das Top-<br />
Management muss eine innovationsfreundliche Haltung vorleben, um die richtige Atmosphäre zu schaffen“,<br />
sagt Harhoff.<br />
Wie wichtig die Unterstützung der Unternehmensführung ist, zeigt das Beispiel des heute extrem erfolgreichen<br />
Hybridautos Prius vom japanischen Autohersteller Toyota. Neben dem Entwickler habe das umweltschonende<br />
Modell nur einen Fan im Unternehmen gehabt, „den Vorstandschef“, sagt Ernst.<br />
Als „natürlichen Feind“ der Innovationen bezeichnet Harhoff die Controlling-Abteilungen, die mit zu rigiden Kosten-Nutzen-Rechnungen<br />
vielversprechende Projekte im Keim erstickten. „Innovatoren haben eine längerfristige<br />
Perspektive“, sagt der Münchener Innovationsforscher. Je stärker ihre Sichtweise in einem Unternehmen akzeptiert<br />
sei, desto effektiver arbeite es, so der Forscher. Innovationsprojekte könnten häufig nicht mit den üblichen<br />
Kennzahlen bewertet werden.<br />
Viele Wissenschaftler haben mittlerweile Fragebögen und Panels entwickelt, mit deren Hilfe Betriebe ihre Innovationskraft<br />
überprüfen und die Erfolgsaussichten einzelner Projekte abschätzen können. „Es ist uns wichtig,<br />
keine Parallelwelten zu schaffen, sondern nah an der Praxis zu sein“, sagt IAI-Chef Kriegesmann. Eine typische<br />
praxisnahe Forschungsfrage lautet: Wie kann die Kreativität der Kunden optimal in Innovationsprozesse eingebunden<br />
werden? Anstatt Nutzer mit Fragen nach ihren Produktwünschen zu löchern, hat sich mittlerweile die<br />
Erkenntnis durchgesetzt, dass sogenannte Leitkunden („Lead-User“) herausgepickt werden müssen. Nur sie<br />
können den Entwicklern tatsächlich weiterhelfen.<br />
Der MIT-Ökonom Eric von Hippel hat dafür bereits in den 80er-Jahren Kriterien aufgestellt. Besonders interessant<br />
sind demnach Kunden mit Ingenieurwissen, die einen gewissen Leidensdruck verspüren, ein Produkt den<br />
eigenen Bedürfnissen anzupassen. „Unter 2000 Kunden, die eine Firmen-Community nutzen, gibt es vielleicht<br />
50 Lead-User“, sagt Harhoff. Von denen werden dann die zehn interessantesten ausgewählt und zu Gesprächen<br />
eingeladen. „Sie glauben gar nicht, was für Augen ein Automobil-Ingenieur macht, wenn ihm ein Kunde<br />
plötzlich ein Navigationssystem mit völlig neuen Funktionen präsentiert“, sagt Harhoff. Oft sei es für die Profis in<br />
den Unternehmen sehr schwer, „Outsider auf Augenhöhe zu ertragen“. Die Studien der Wissenschaftler zeigen,<br />
dass die Kundenorientierung auch der entscheidende Erfolgsfaktor ist, wenn es um Innovationen für die Wachstumsmärkte<br />
China und Indien geht. Es reiche nicht aus, bestehende Produkte für neue Märkte abzuändern. „Da<br />
kommt es ganz besonders darauf an, sich radikal an den Bedürfnissen der Nutzer zu orientieren“, weiß WHU-<br />
Professor Ernst. Das für die indische Landbevölkerung komplett neu konzipierte Nokia-Handy „1100“ ist ein Paradebeispiel<br />
dafür. Das robuste und schmutzabweisende Handy verkaufte sich in Indien 200 Millionen Mal und<br />
sicherte Nokia einen Marktanteil von 50 Prozent. Immer häufiger beschäftigen sich Innovationsforscher auch mit<br />
Bereichen, in denen es nicht um harte Verkaufszahlen und Marktanteile, sondern um Politik und Bildung geht.<br />
„Viele Erkenntnisse aus der Innovationsforschung lassen sich direkt auf diese Bereiche übertragen“, sagt Kriegesmann.<br />
So geht sein Institut der Frage nach, warum sich innovative Bildungsprojekte, die an einzelnen Schulen<br />
erfolgreich sind, nicht flächendeckend durchsetzen. Die Analyse des Wissenschaftlers: „Experten füttern Datenbanken<br />
mit Projektergebnissen und hoffen, dass sie von anderen Schulen entdeckt werden.“ So funktioniere<br />
keine Innovation. „Angebot und Nachfragebedürfnisse gehen völlig aneinander vorbei.“ Andere Innovationsforscher<br />
beschäftigen sich mit Studienreformen, E-Government und Politiker-Blogs. Hier steht die Innovationsforschung<br />
noch am Anfang. Gesichert scheint eins: Trommeln und meditieren hilft auch hier wenig.<br />
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