Band 29 - thule-italia.net
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»So sprich nun du!«<br />
Ich folgte dieser Aufforderung sehr gern, stand auf, lehnte mich, um nicht hinabzuschlüpfen, an die Figur<br />
des Beters und begann:<br />
»Heut ist der erste Tag des neuen Mondes, der Tag, an dem er aus dem dunkeln Schatten der Erde tritt, um<br />
wieder ihr zu leuchten. Und dieser Tag, so hoffe ich, soll auch für Euch das wiederbringen, was Euch der<br />
Schatten dieser Erde nahm -- der Sonne goldnes Licht!«<br />
Ich hatte so laut gesprochen wie er, und darum wurde das letzte meiner Worte auch hinausgetragen zu den<br />
morschen Säulen, an denen es auch ganz dieselbe Wirkung hervorbrachte, nur daß die glucksenden und<br />
klatschenden Geräusche der fallenden Steine dieses Mal viel, viel länger anhielten als vorher. Und hierauf<br />
ging statt jenes fauchenden Geklinges ein tiefes Rollen am Gewölbe hin, wie wenn am Horizont ein fernes<br />
Donnergrollen das Nahen schwerer Wetter uns verkündet.<br />
»Habt Ihr's gehört?« so fragte ich hinunter. »Wenn schon mein Wort um so viel stärker wirkt, um wieviel<br />
mehr wird erst die Kraft Euch überlegen sein! Ihr selbst gestandet ein, daß Euer Wort Euch mit<br />
zerschmettern werde. Glaubt an das meinige, so werdet Ihr von ihm hinaus zur Sonne und an das goldne<br />
Tageslicht geführt!«<br />
»An die Sonne? An das Tageslicht?« fragte das Gerippe! »Niemals, niemals werden wir sie beide<br />
wiedersehen! Auch du nicht! In keiner Ewigkeit!«<br />
Er hauchte das verzweifelt vor sich hin.<br />
»In keiner Ewigkeit --- in keiner Ewigkeit!« so seufzte es ihm nach von Kopf zu Kopf.<br />
»Was höre ich? Ihr gebt ja mir schon Licht!« fuhr ich fort. »Um wieviel mehr kann ich nun Euch es<br />
bringen! Nur die Verzweiflung war's, die Euch zur Rache trieb. Das liegt in Sonnenklarheit hier vor meinen<br />
Augen! Die Hoffnungslosigkeit ließ Euch den Fluch ersinnen! Du nanntest uns: "Ihr armen, armen<br />
Menschen"; ich aber sag: Ihr armen, armen Geister! Ihr kamt zu diesem Berg, mit Schatten Euch zu<br />
streiten. Ihr nanntet Wahn, was Ihr vernichten wolltet. Und doch war es ein noch viel größrer Wahn, der es<br />
für möglich hielt, daß es auf Erden Strahlung ohne Schatten und Wahrheit ohne Täuschung geben könnte!<br />
Ihr hättet alle Wesen töten und jedes Licht im All verlöschen müssen, und damit nur erreicht, daß dieses<br />
All in Finsternis versank. Dann freilich gab es keine Schatten mehr; an ihre Stelle war der eine, einzige, der<br />
ewige getreten! Und nicht bloß Wahn, nein, Wahnsinn ist's gewesen, und Wahnsinn ist es noch in diesem<br />
Augenblick, daß Ihr den Schemen flucht, anstatt der eignen Torheit! Wer zwang Euch denn, hinauszutreten<br />
in den Schlund, wo jeder Menschengeist den festen Halt verliert?«<br />
»Gab es denn einen andern Weg ins Freie?« fragte er. »Der Eingang war verschwunden!«<br />
»Auch ich sah ihn nicht mehr. Doch wußte ich, daß er sich dem Gebete zeigen werde, auf welches mich der<br />
Warnende verwies. Hat er nicht auch zu Euch davon gesprochen?«<br />
»Er sagte es, doch beteten wir nicht!«<br />
»Warum nicht?«<br />
»Ist das Gebet für so erhabne Geister, die wir waren?«<br />
»Für so erhabne Geister! Ach so! Entschuldigt mich! Verzeiht, daß ich, der arme, kleine Mensch, es wage,<br />
zu Euch zu sprechen, die Ihr so erhaben seid, daß Ihr nicht einmal mehr mit Gott, dem Höchsten, redet!<br />
Wie sehe ich Euch doch so groß und herrlich hier in den Fluten Eures Irrsinns liegen! Ihr kamt mit