Band 29 - thule-italia.net
Band 29 - thule-italia.net
Band 29 - thule-italia.net
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sie schwang den Säbel hoch empor, indem sie diesen Ruf ebenso hinausschmetterte, wie vorher das<br />
Gelächter und --- war das tollkühne Absicht oder die Folge des unvorsichtigen, zu weiten Vortretens?<br />
Sprang sie, oder stürzte sie? Ließ sie die Klinge fallen, oder hielt sie sie fest? Man konnte das nicht<br />
unterscheiden, aber --- bei dem dritten Yallah flog sie von der Mauer herunter. Das sah genauso aus, als tue<br />
sie das, um durch diesen verwogenen [verwegenen] Sprung in die Feinde herunter die zögernden Schatten<br />
zum Angriff zu begeistern. Und es wirkte!<br />
»Yallah, yallah!« riefen die Päderan [Pädärahn], indem sie vorwärts stürmten. »Yallah, yallah!« schrien die<br />
ihnen nachdrängenden Schatten. »Yallah - yallah -- yallah!« brüllte es, weiterlaufend, rund um den ganzen<br />
See. Die beiden Kolonnen drängten nach vorn. Da winkte der Chodj-y-Dschuna vom Boote aus dem<br />
Hauptmanne zu. Dieser gab das Zeichen. Es wurde zu beiden Seiten gesehen, und die Geschütze begannen,<br />
den Tod in die Feinde zu sprühen, nicht nur die zwölf im Duar, sondern auch die übrigen acht.<br />
Der Donner der Kanonen riß den Mirza aus seiner Erstarrung. Er fuhr sich mit beiden Händen nach dem<br />
Kopfe und trat, so wie vorher die Khanum, ganz an den Rand der Mauer vor, um ihr nachzublicken. Aber<br />
unsere Augen wurden durch etwas Anderes von ihm und von der Wirkung der Schüsse ab- und in die Höhe<br />
gezogen.<br />
Wir konnten vom Beit-y-Chodeh aus das ganze abschüssige Terrain am Alabasterzelte übersehen. Die<br />
Moräne hatte das lockere Geröll erreicht und schob es vor sich her. Sie wuchtete selbst die größten Blöcke<br />
aus, welche infolge ihrer Schwere ins Rollen kamen und der eigentlichen Lawine vorausstürzten. Das<br />
geschah gerade in der Pause nach dem ersten Krachen unserer Kanonen. Die Massaban schauten von der<br />
Kampfesszene weg, hinauf nach der Bergeskuppe. Sie wußten von dem Aschyk, daß ein Bergsturz erfolgen<br />
werde, und als sie nun Stein auf Stein herniederfallen sahen, ergriffen sie schleunigst die Flucht. Der Duar<br />
lag zu nahe am Berge; von ihm aus konnte der Eintritt der Katastrophe noch nicht bemerkt werden. Aber<br />
den Schatten draußen am Wasser mußte er unbedingt in die Augen fallen. Sie hielten im Vordrängen<br />
wieder inne. Sie schrien nicht mehr »yallah«, sondern ganz anders. Sie richteten ihre Blicke nicht nach<br />
vorn, obgleich da unsere Geschütze weiterdonnerten, sondern nach oben, wo die Moräne sich am Felsen<br />
des Zeltes in zwei breite, wirbelnde Ströme geteilt hatte und nun herniederschoß. Noch ehe sie unten<br />
auftraf, erscholl von allen Punkten des Tales ein vieltausendstimmiger Schrei, dann --<br />
Das war kein Krach, den es gab, kein Schlag, kein Knattern und Prasseln, kein Dröhnen und Rasseln, kein<br />
Knirschen und Tosen, kein Brausen und Saufen, kein Zerbersten, Zerspringen und Zerplatzen, kein<br />
Knallen, kein Beben, kein Zittern, kein Rollen, und doch aber war es dieses Alles, Alles, Alles, aber in so<br />
entsetzlicher und betäubender Weise vereint, daß es ganz unmöglich beschrieben werden kann. Die Wucht<br />
des Sturzes dieser schweren Massen erregte einen Luftdruck, der uns hier hüben wie ein unsichtbarer<br />
Schlag an die Köpfe traf, drüben aber Alles, was da stand, zu Boden warf. Ahriman Mirza wurde von der<br />
Mauer hinweg und weit in die Luft hinausgeblasen. Wohin er fiel, das sahen wir nicht, weil aus der<br />
höllischen Verwirrung eine Staubwolke aufstieg, welche zunächst die ganze Ruinenseite des Tales<br />
verhüllte und sich dann in der Weise weiter verbreitete, daß wir nur mit Vorsicht atmen konnten. Die<br />
Atmosphäre wurde in solcher Höhe und Weite von diesem Staube erfüllt, daß noch einige Tage später der<br />
Bergwald am äußersten Ende des Sees aus Grün in Grau verwandelt lag. Das Auftreffen der Lawine hatte<br />
eine Bodenerschütterung zur Folge, die als Zittern weiterlief und von einem Geräusch begleitet wurde, als<br />
ob ein Kegeljunge alle seine Kugeln auf der Laufrinne hinunterrollen lasse.<br />
Obgleich wir auf dieses Ereignis vorbereitet gewesen waren, konnten wir uns dem Eindrucke seiner<br />
elementaren Gewalt doch nicht entziehen. Wie mußte es da erst bei Denen wirken, die es unerwartet traf!<br />
Wir sahen das zwar nicht, aber wir hörten umso mehr. Das war kein Lärm, der zu uns heraufdrang, sondern<br />
ein überlaut zeterndes Getöse. Menschliche Stimmen erschallten in jeder Klangfarbe des Entsetzens. Pferde<br />
wieherten überall, aber in einer mir bisher ganz fremden Weise. Kamele brüllten; Hunde heulten. Auch im<br />
Walde wurde es laut. Die ganze Tierwelt, die zahme und die wilde, schien sich in der größten Aufregung zu<br />
befinden. Wir mußten hin zum Aschyk eilen, weil unsere Pferde durchgehen wollten.<br />
Als wir sie beruhigt hatten und wieder an unsern Platz kamen, stieß der Ustad einen Ruf der Ueberraschung