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Band 29 - thule-italia.net

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Sie schwang den Säbel hoch empor, indem sie diesen Ruf ebenso hinausschmetterte, wie vorher das<br />

Gelächter und --- war das tollkühne Absicht oder die Folge des unvorsichtigen, zu weiten Vortretens?<br />

Sprang sie, oder stürzte sie? Ließ sie die Klinge fallen, oder hielt sie sie fest? Man konnte das nicht<br />

unterscheiden, aber --- bei dem dritten Yallah flog sie von der Mauer herunter. Das sah genauso aus, als tue<br />

sie das, um durch diesen verwogenen [verwegenen] Sprung in die Feinde herunter die zögernden Schatten<br />

zum Angriff zu begeistern. Und es wirkte!<br />

»Yallah, yallah!« riefen die Päderan [Pädärahn], indem sie vorwärts stürmten. »Yallah, yallah!« schrien die<br />

ihnen nachdrängenden Schatten. »Yallah - yallah -- yallah!« brüllte es, weiterlaufend, rund um den ganzen<br />

See. Die beiden Kolonnen drängten nach vorn. Da winkte der Chodj-y-Dschuna vom Boote aus dem<br />

Hauptmanne zu. Dieser gab das Zeichen. Es wurde zu beiden Seiten gesehen, und die Geschütze begannen,<br />

den Tod in die Feinde zu sprühen, nicht nur die zwölf im Duar, sondern auch die übrigen acht.<br />

Der Donner der Kanonen riß den Mirza aus seiner Erstarrung. Er fuhr sich mit beiden Händen nach dem<br />

Kopfe und trat, so wie vorher die Khanum, ganz an den Rand der Mauer vor, um ihr nachzublicken. Aber<br />

unsere Augen wurden durch etwas Anderes von ihm und von der Wirkung der Schüsse ab- und in die Höhe<br />

gezogen.<br />

Wir konnten vom Beit-y-Chodeh aus das ganze abschüssige Terrain am Alabasterzelte übersehen. Die<br />

Moräne hatte das lockere Geröll erreicht und schob es vor sich her. Sie wuchtete selbst die größten Blöcke<br />

aus, welche infolge ihrer Schwere ins Rollen kamen und der eigentlichen Lawine vorausstürzten. Das<br />

geschah gerade in der Pause nach dem ersten Krachen unserer Kanonen. Die Massaban schauten von der<br />

Kampfesszene weg, hinauf nach der Bergeskuppe. Sie wußten von dem Aschyk, daß ein Bergsturz erfolgen<br />

werde, und als sie nun Stein auf Stein herniederfallen sahen, ergriffen sie schleunigst die Flucht. Der Duar<br />

lag zu nahe am Berge; von ihm aus konnte der Eintritt der Katastrophe noch nicht bemerkt werden. Aber<br />

den Schatten draußen am Wasser mußte er unbedingt in die Augen fallen. Sie hielten im Vordrängen<br />

wieder inne. Sie schrien nicht mehr »yallah«, sondern ganz anders. Sie richteten ihre Blicke nicht nach<br />

vorn, obgleich da unsere Geschütze weiterdonnerten, sondern nach oben, wo die Moräne sich am Felsen<br />

des Zeltes in zwei breite, wirbelnde Ströme geteilt hatte und nun herniederschoß. Noch ehe sie unten<br />

auftraf, erscholl von allen Punkten des Tales ein vieltausendstimmiger Schrei, dann --<br />

Das war kein Krach, den es gab, kein Schlag, kein Knattern und Prasseln, kein Dröhnen und Rasseln, kein<br />

Knirschen und Tosen, kein Brausen und Saufen, kein Zerbersten, Zerspringen und Zerplatzen, kein<br />

Knallen, kein Beben, kein Zittern, kein Rollen, und doch aber war es dieses Alles, Alles, Alles, aber in so<br />

entsetzlicher und betäubender Weise vereint, daß es ganz unmöglich beschrieben werden kann. Die Wucht<br />

des Sturzes dieser schweren Massen erregte einen Luftdruck, der uns hier hüben wie ein unsichtbarer<br />

Schlag an die Köpfe traf, drüben aber Alles, was da stand, zu Boden warf. Ahriman Mirza wurde von der<br />

Mauer hinweg und weit in die Luft hinausgeblasen. Wohin er fiel, das sahen wir nicht, weil aus der<br />

höllischen Verwirrung eine Staubwolke aufstieg, welche zunächst die ganze Ruinenseite des Tales<br />

verhüllte und sich dann in der Weise weiter verbreitete, daß wir nur mit Vorsicht atmen konnten. Die<br />

Atmosphäre wurde in solcher Höhe und Weite von diesem Staube erfüllt, daß noch einige Tage später der<br />

Bergwald am äußersten Ende des Sees aus Grün in Grau verwandelt lag. Das Auftreffen der Lawine hatte<br />

eine Bodenerschütterung zur Folge, die als Zittern weiterlief und von einem Geräusch begleitet wurde, als<br />

ob ein Kegeljunge alle seine Kugeln auf der Laufrinne hinunterrollen lasse.<br />

Obgleich wir auf dieses Ereignis vorbereitet gewesen waren, konnten wir uns dem Eindrucke seiner<br />

elementaren Gewalt doch nicht entziehen. Wie mußte es da erst bei Denen wirken, die es unerwartet traf!<br />

Wir sahen das zwar nicht, aber wir hörten umso mehr. Das war kein Lärm, der zu uns heraufdrang, sondern<br />

ein überlaut zeterndes Getöse. Menschliche Stimmen erschallten in jeder Klangfarbe des Entsetzens. Pferde<br />

wieherten überall, aber in einer mir bisher ganz fremden Weise. Kamele brüllten; Hunde heulten. Auch im<br />

Walde wurde es laut. Die ganze Tierwelt, die zahme und die wilde, schien sich in der größten Aufregung zu<br />

befinden. Wir mußten hin zum Aschyk eilen, weil unsere Pferde durchgehen wollten.<br />

Als wir sie beruhigt hatten und wieder an unsern Platz kamen, stieß der Ustad einen Ruf der Ueberraschung

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