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Band 29 - thule-italia.net

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Heim! Ja, es ist Heimatsgefühl, welches mir dieses Wort aus der Feder fließen läßt. Wer sich bei guten<br />

Menschen nicht daheim fühlt, für den gibt es überhaupt keine Heimat, weder hier noch dort. Er hat sie sich<br />

erst zu --- ersühnen! Und wer da nicht weiß, daß es auch geistige und seelische Stätten gibt, welche<br />

köstlicher und heiliger sind als jedes irdische Vaterhaus, der ist ärmer als selbst der Bettler, dem die<br />

kleinste Herberge einen Platz zum Ruhen gewährt. Zu so einer heiligen Stätte war mir das Haus des Ustad<br />

geworden, und der Duar hier im Tal zu einem Wohnsitz von lieben Verwandten. Darum war der Tag ihrer<br />

Befreiung von Schatten und Schemen nicht bloß für sie, sondern auch für mich ein Freudentag, und ich<br />

horchte froh auf, als jetzt ganz da vorn eine krachende Salve von allen Kanonen ertönte und mit ihrem<br />

Donner die Feuer der Höhen erweckte.<br />

Wir ritten langsameren Schrittes, um den sich entwickelnden Anblick hastlos zu genießen. Da stiegen<br />

zuerst drüben am Beit-y-Chodeh die Flammen auf, als ob dort ein Jesaias stehe, der sein »Mach dich auf,<br />

und werde Licht!« in Feuergluten erschallen lasse. Und das ganze Tal gehorchte; die Berge »machten sich<br />

auf«, und auf allen Höhen »wurde Licht«. Und hoch über diesen Bergen zündete auch das Firmament jetzt<br />

seine Leuchten an und ließ »das Licht von oben« niedersteigen. Die Alabasterkrone erschien, uns im<br />

Sternenscheine gezeigt, als ob sie der Erde vom Himmel entgegengestreckt werde, weit hinaus in das<br />

Dunkel der Bergestiefe ragend. Da machte sich auch dieses Dunkel auf, gehorsam zu sein. Es begannen<br />

Fackeln zu leuchten, von fröhlichen Kindern im Duar herumgetragen. Hierauf strebten auf der<br />

stehengebliebenen, vordern Cyklopenmauer, zu beiden Seiten des heut entstandenen Kirchenplatzes, zwei<br />

gewaltige Flambeaus in die Höhe, von mächtigen Holzstößen erzeugt, welche Schakara hier hatte<br />

aufhäufen lassen, um den Bereich der Vernichtung zu illuminieren. Das gab eine solche Fülle von Licht<br />

und tagesähnlicher Helle, daß die Finsternis enteilte und, sich in ängstlich zitternde Schatten auflösend, an<br />

der Bergwand emporkletterte. Und mitten aus diesem häßlichen, zappelnden Schreck trat in erhabener<br />

Schönheit und imponierender Ruhe die makellose, herrliche Gestalt des Gebetes hervor, einer Offenbarung<br />

gleich, einer Manifestation der frohlockenden Menschheitsseele. Der Eindruck dieser Erscheinung war so<br />

unmittelbar packend und so unwiderstehlich, daß der Ustad sein Pferd anhielt, auch dem meinigen in den<br />

Halfter griff und, aber nur leise, sagte:<br />

»Halt -- warte! Laß die Andern fort; sie stören!«<br />

Sie ritten weiter. Wir aber stiegen ab und standen lange, lange, in die Gedanken versunken, oder richtiger,<br />

die Gedanken förmlich atmend, mit denen uns die Seele des aus dem Fluche erlösten Gegners überflutete.<br />

»Mein liebes, kleines, längst gewünschtes Kirchlein!« unterbrach der Ustad endlich und tief aufatmend<br />

unser Schweigen. »Nun kann und darf ich dich wohl endlich bauen! Ich habe nichts, gar nichts<br />

hinwegzuräumen vom Platze, den ich mir dachte; ein Anderer tat es für mich. Die Wasser der Bassins sind<br />

in den See gewichen und werden dort verbleiben. Die versunkenen Quader geben mir den allerbesten<br />

Grund. Die riesigen Würfel und Rundstücke zu den Pfosten und Säulen der Halle sind zwar aus dem Neuen<br />

herzustellen, doch ist hier überall das reichste Material dazu vorhanden. Aufs leere Postament wird dieses<br />

Bild gehoben, und wenn dann meine Dschamikun begreifen, daß Beten eine Kunst, und zwar die<br />

allerhöchste ist auf Erden, obgleich Natur sie schon den Kindern lehrt, so ist die Einsicht und Erkenntnis<br />

da, selbst mit dem kleinsten Kirchlein gern fürlieb zu nehmen. Schon sehe ich den Ort der Andacht ragen,<br />

der zeigen soll, wie groß, wie groß der Herr, wie aber winzig, winzig klein das arme Menschlein ist. Schon<br />

höre ich dort am Berg die Glocken hell erklingen, die übers ganze Tal -- horch!«<br />

Er hielt inne, denn hinter uns waren die Freudensalven zu hören, mit denen die heimkehrenden Krieger den<br />

im Wiederscheine [Widerscheine] der Flammen strahlenden See und den schimmernden Duar begrüßten:<br />

Darum schwangen wir uns wieder auf und eilten, den letzteren zu erreichen. Wir hielten dort gar nicht an,<br />

sondern ritten direkt hinauf zum Hause. Noch vor dem Tore holten wir Dschafar und Kara mit dem Kurier<br />

und dem Aschyk ein, die sich unten etwas verweilt hatten. Im Hofe angekommen, wurden wir von der noch<br />

immer hier postierten Besatzung mit Jubel begrüßt und erfuhren, daß die Katastrophe auf dieser Seite des<br />

Berges nicht den geringsten Schaden angerichtet habe. Der Kurier wurde diesen Leuten als Gast übergeben.<br />

Der Ustad ließ die Truhe nach seiner Wohnung tragen und folgte auf dem Fuße hinterher, so wichtig war<br />

sie ihm. Dschafar ging nach der seinigen, um sich umzukleiden, denn wir hörten, daß ein festlicher<br />

Schmaus für uns und die sämtlichen Anführer vorbereitet werde. Kara eilte zu Vater und Mutter. Er wollte

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