Band 29 - thule-italia.net
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aus, indem er dort hinüber deutete, von woher die Lawine gekommen war. Auch wir staunten, Kara und<br />
ich. Die Staubwolke hatte nicht bis zur Bergeskuppe steigen können, und hier bei uns begann sie, dünner zu<br />
werden. Darum sahen wir zwischen den beiden Wegen, welche die Moräne genommen hatte, einen freien,<br />
nackten, starken Felsenarm weit in die Luft hinausragen, in dessen gewaltiger Faust die glänzend weiß<br />
blinkende Alabasterkrone ruhte. So, genau so hatte ich es mir gedacht, als ich mich zum ersten Male auf<br />
dem See befand (* Siehe pag. 244.). Meine damalige Idee war also keine schnell und spurlos zerplatzende<br />
Gedankenblase gewesen!<br />
Wie da drüben die eine Lawine niedergegangen war, so schickte sich nun auch die andere, die kriegerische,<br />
an, zu Tale zu rollen. Ueberall, wo der Staub es nicht verhüllte, sahen wir, daß die Dschamikun die Höhen<br />
verließen, um in die von der Katastrophe unterbrochene Aktion einzugreifen. Es war vorherbestimmt<br />
worden, daß sie nach den ersten Kanonensalven sich unter guter Deckung an die Schatten machen sollten,<br />
um sie unter ihr Gewehrfeuer zu nehmen, welches bei den hier gegebenen Verhältnissen denselben Erfolg<br />
haben mußte wie ein Hagelwetter auf ein schutzlos stehendes Feld. Dann hatte die zu beiden Seiten des<br />
Duar versteckte Reiterei hervorzubrechen, um die Uebriggebliebenen niederzurennen oder, einer unheilvoll<br />
wirkenden Schaufel gleich, in den See zu werfen.<br />
Wir erwarteten, daß das Schnellfeuer dieser tausende von Schützen jetzt beginnen und mit seinem<br />
ununterbrochenen Rollen jedes andere Geräusch verschlingen werde, bekamen aber nichts zu hören als das<br />
dumpf herauftönende Stampfen eilig laufender Pferde. Kein Schuß wollte fallen, weder aus einer Kanone<br />
noch aus einem Gewehre. Was war das? Welchen Grund hatte dieses für uns rätselhafte Schweigen? Unser<br />
Freund, der Morgen, beantwortete uns diese Frage. Wie vorher in die Nebel, so fuhr er mit seinem Winde<br />
nun auch in die Staubwolke. Er trieb sie vom See hinweg nach dort, woher sie gekommen war, nach den<br />
Ruinen, und drückte sie derart gegen die Felsenwand, daß sie zu ersticken begann. Das Tal lag infolge<br />
dessen vollständig frei vor unseren Augen, und da erkannten wir, daß uns unser so wohlüberlegter Plan auf<br />
das Gründlichste verdorben worden war. Wir sehen einander an und wußten nicht, ob wir lachen oder uns<br />
ärgern sollten.<br />
Wie lächerlich von uns, geglaubt zu haben, daß die Schatten unter dem Schutze des Alles verhüllenden<br />
Staubes unsern Kanonen standhalten würden! Sie waren nämlich gar nicht mehr da, diese unstäten,<br />
schreckhaften Memmen! Wo Lawinen stürzen, bleiben nur herzhafte Männer stehen, nicht aber feige<br />
Gesellen, denen das Rückgrat fehlt! Wie aber war das gekommen? Und wie hatte es geschehen können, daß<br />
eine so dicht zusammengedrängte Menge sich zu entfernen vermochte, ohne unter sich selbst auch nur eine<br />
Spur von Verwirrung anzurichten? O, sehr einfach und leicht! So kompakt sich ihre Masse vorerst<br />
zusammengeschoben hatte, es war doch schnell, sehr schnell Platz geworden. Die Hintertreffen hatten<br />
gleich bei den ersten Kanonenschüssen das Weite gesucht, denn für eine so grobe Behandlung ist kein<br />
Schatten zu haben. Dadurch waren ganz naturgemäß neue Hintertreffen entstanden, welche ganz derselben<br />
Meinung waren und auch ganz dasselbe taten; sie machten ebenso Kehrt. So hatte sich ein Hintertreffen<br />
nach dem andern gemütvoll abgelöst, um heimlich nach rückwärts zu gehen. Wir sahen diese einzelnen<br />
Geschwader schon außerhalb des Tales reiten, um sich dort einträchtig und wohlbehalten wieder<br />
zusammenzufinden. Wenn auch nicht ganz, aber doch so ziemlich nahe befanden sich nur noch die beiden<br />
lieben Vordertreffen. Sie hatten ganz unerwartet und zu ihrem größten Erstaunen bemerkt, daß sie nun<br />
nicht mehr vorn, sondern hinten waren, und sich augenblicklich umgedreht, um wieder nach vorn zu<br />
kommen. Ihre Pferde waren es, deren galoppierenden Hufschlag wir gehört hatten. Sie strebten soeben von<br />
beiden Seiten dem Zelte Ahriman Mirza's zu und jagten, als ob ihnen unsere ganze Macht im Nacken säße.<br />
»Schatten!« sagte der Ustad in einem Tone, als ob es ihn ekele. »Und mit solchem Gesindel will man nicht<br />
nur uns, sondern sogar dem Schah-in-Schah imponieren! Wie töricht von uns, solche Vorbereitungen zu<br />
treffen, wo es sich jetzt herausstellt, daß es keines einzigen Mannes von uns bedurfte. Fast schäme ich<br />
mich!«<br />
Wir sahen, daß man unten im Duar ebenso erstaunt war, wie wir hier oben, doch zögerte man nicht, sich<br />
der neuen Situation sofort anzubequemen. Die Reiterei brach hervor, um die Verfolgung aufzunehmen.<br />
Drüben erschien der auf dem Nordwestwege versteckt gewesene Scheik von Schohrd mit seinen Leuten,<br />
und ihm folgte Ibn el Idrak mit den Takikurden, die er hatte anmelden lassen. Hüben brachen die südlichen