Band 29 - thule-italia.net
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»So bin ich starr!«<br />
»Starr? Ich werde dich sofort wieder lebendig machen, indem ich dir sage, daß ich den Syrr für Niemand<br />
bringe, als für dich allein!«<br />
»Für mich? Sei ernst!«<br />
»Ja, ja; für dich! Und das kam so: Daß du ein guter Reiter seist, das hatte ich erzählt, doch ist das nicht der<br />
Grund. Die Andern alle, welche nichts erreichten, hatten ja geglaubt, nicht nur gute, sondern sogar virtuose<br />
Reiter zu sein. Aber ich hatte auch von deiner Findigkeit gesprochen, von deiner Aufmerksamkeit für alles<br />
Tiefere und von deiner Liebe zu den Tieren. Lindsay erzählte so viel von dir und deinem Rih, dem<br />
herrlichsten Pferde der Hadeddihn [Haddedihn]. Der Schah erfuhr, wie du dich zu den Pferden und<br />
überhaupt zur Kreatur verhältst, und als ihm dein Sprung über die Verräterspalte und gar das gräßliche<br />
Wagestück berichtet wurde, daß du, vorn und links den Abgrund, rechts die Felswand, hinter dir die Feinde<br />
und unter dir den kaum vier Fuß breiten Stein, durch einige liebe Worte dein zitterndes Pferd bewegtest,<br />
sich vorn zu erheben, den halben Körper über der Tiefe, und langsam umzuwenden --- da rief er aus, daß<br />
du es vielleicht sein könntest, dem Syrr außer ihm gehorchen würde, weil ein freundliches Wort von dir<br />
genügt habe, die Todesangst des Pferdes in ruhiges Vertrauen zu verwandeln. Und als er hörte, daß ich dich<br />
besuchen werde, ging er mit sich zu Rate, ob er mir den Syrr anvertrauen solle oder nicht. Ich selbst riet<br />
ihm ab, weil ich nicht glaubte, eine solche Verantwortlichkeit auf mich nehmen zu können. Aber grad mein<br />
Widerstand schien ihm die Gewähr zu bieten, daß das Pferd nicht nur daheim, sondern auch während dieser<br />
Reise in guten Händen sei, und so befahl er mir, es mitzunehmen. Ich sage, er befahl; so durfte ich mich<br />
nicht länger weigern.«<br />
»Dschafar --- Mirza --- vor allen Dingen, wie soll ich dich titulieren?«<br />
»Du nennst mich einfach Dschafar; ich will es so. Die Andern mögen immerhin Mirza sagen!«<br />
»Ich danke dir! Nun wieder zu dem Pferde! Ich kann mir nicht denken, daß dir der Schah den köstlichen<br />
Syrr bloß aus reiner Neugierde anvertraut hat, nur um zu erfahren, ob es mir gehorchen werde. Es muß<br />
noch ein anderer, höherer oder tieferer Grund vorhanden sein.«<br />
»Der ist auch da! Bezeichne ihn, wie du willst; ich nenne ihn psychologisch. Der Herrscher nannte es ein<br />
Problem, und zwar ein wichtiges Problem. Er ist nicht etwa neugierig, sondern gespannt! Das ist doch wohl<br />
ein Unterschied! Er sagte sogar, Syrr sei zwar unbezahlbar, aber keineswegs ein zu hoher Preis für die<br />
Lösung, doch wolle er warten, ehe er hiervon spreche. Effendi, Effendi, merkst du, was der Beherrscher<br />
will?«<br />
»Ja.«<br />
»So gieb dir Mühe!«<br />
»Mühe? Dschafar, Dschafar! Mühe tut es am allerwenigsten; ja, sie würde nur verderben! Wenn mich das<br />
Pferd nicht gleich beim ersten Anblick liebgewinnt, brauche ich gar nicht zu probieren; es würde doch<br />
vergeblich sein. Sag mir, was frißt es wohl am allerliebsten?«<br />
»Sein größter Leckerbissen ist ein Apfel.«<br />
»Hat es irgend eine Untugend, welche zu schonen ist, wenn man es nicht erzürnen will?«<br />
»Nein, keine einzige.«<br />
»Irgend eine empfindliche Körperstelle, die man nicht berühren darf?«