Band 29 - thule-italia.net
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Wettrennen anzusagen, weiter nichts! Jeder Andere als der Ustad hätte sie nun in ganz derselben Weise<br />
sofort entlassen. Dieser aber war menschenfreundlich und klug genug, sich zu beherrschen. Er ging auf sie<br />
zu, reichte ihnen die Hand und lud sie ein, mit hinauf in seine Wohnung zu kommen. Das überraschte sie.<br />
Sie sahen einander fragend an und sprangen dann doch von ihren Pferden, um ihm zu folgen.<br />
Sie waren wohl zwei Stunden lang bei ihm in seinem Zimmer. Auf den Balkon führte er sie nicht, weil sie<br />
Syrr nicht sehen sollten. Ich hatte mich inzwischen wieder niedergelegt und hörte ihre Stimmen unter mir,<br />
konnte aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Als sie sich entfernt hatten, kam er herauf zu mir und<br />
sagte mir, wer diese Leute gewesen seien und was er mit ihnen verhandelt habe.<br />
»Das sind die sogenannten Klugen,« fügte er hinzu. »Sie lächeln nach beiden Seiten und sagen einstweilen<br />
zu Allem "Ja", um abzuwarten, nach welcher Seite sich der Zeiger neigen werde. Dann aber sind sie die<br />
Schlimmsten, die Unerbittlichsten, die keine Schonung kennen. Ich bin überzeugt, daß sie unsern Feinden<br />
ihre Hilfe zugesagt haben, und daß sie aber dennoch heut zu uns kamen, um nachzuschauen, ob es nicht<br />
vielleicht doch geraten sei, sich den Weg zum Rückzuge offen zu halten. Ich habe sie bedient, wie man so<br />
unsichere Kantonisten zu bedienen hat: Kein Wort zu wenig, aber auch keins zu viel. Sie werden sich zum<br />
Rennen einstellen; ob sie sich aber dann auch beteiligen, steht noch in Frage. Erst waren sie zornig über<br />
den Empfang, den sie im Duar gefunden hatten; dann wurden sie immer freundlicher und zutraulicher, um<br />
von mir so viel wie möglich zu erfahren, was ihnen aber natürlich nicht gelang, und zuletzt bot mir Ben<br />
Hidr die Hilfe seines ganzen Stammes an, die ich aber sehr höflich ablehnte, weil ich an die Feinde, von<br />
denen er gesprochen habe, unmöglich glauben könne. Noch am Schlusse behauptete ich mit aller<br />
Bestimmtheit, daß es ganz gewiß keinen einzigen Menschen gebe, der die Absicht habe, uns hier zu<br />
belästigen oder gar zu überfallen. So sind sie also in der festen Ueberzeugung fortgeritten, daß wir von der<br />
Gefahr, die sich in diesen Tagen um uns zusammenziehen soll, nicht das Geringste ahnen. Aber ich habe<br />
ihnen die goldene Karte des Schah-in-Schah gezeigt und sie dann noch viel Wichtigeres ahnen lassen. Nun<br />
haben sie Angst!«<br />
Wir unterhielten uns noch einige Zeit, besonders über Assil Ben Rih, für den er ganz begeistert war. Dann<br />
kam Schakara, um mir die Grüße des Mir Alai zu bringen. Er ließ mir sagen, er sehe nun ein, daß es nichts<br />
Herrlicheres gebe als so einen Glauben und so ein unerschütterliches Gottvertrauen, dem nichts auf Erden<br />
widerstehen könne.<br />
Sehr erfreulich war es mir, daß der Ustad sich über mein Befinden höchst befriedigend äußerte, doch<br />
behauptete er, mich erst Freitag, also übermorgen, aus seiner Behandlung entlassen zu können. Ich hatte<br />
mich zu fügen und tat es gern.<br />
Als es dunkel werden wollte, nahm ich mein Abendessen ein und sank dann dem auch in Kurdistan und<br />
Persien sehr wohlbekannten Morpheus in die Arme. Er hielt mich möglichst fest, konnte es aber doch nicht<br />
verhindern, daß ich, grad wie gestern in der Nacht einmal für kurze Zeit erwachte. Das geschah auf eine<br />
ganz eigentümliche Weise. Ich träumte nämlich nicht, und doch war es, als flüstere mir Jemand leise in das<br />
Ohr, aber nicht in das äußere, sondern in das innere:<br />
»Wache auf! Ich komme nur für einige Augenblicke wieder, um dir Etwas zu zeigen, worüber du dich<br />
herzlich freuen wirst!«<br />
Das hörte ich ganz deutlich. Da schlug ich die Augen auf. Die Sterne leuchteten hell. Ich schaute hinüber,<br />
wo Schakara gesessen hatte. Da kniete Einer im Gebete. Er hatte die gefalteten Hände auf die Ballustrade<br />
gelegt und das Gesicht emporgehoben. Ich erkannte ihn. Ich sah sogar, daß er die Lippen bewegte.<br />
Es war der Aschyk. Ich wußte genau, daß ich wach sei, und doch hörte ich die leise Stimme in meinem<br />
Ohre weitersprechen:<br />
»Er betet für dich! Das ist der beste Dank, den wir in Euerm Erdenleben kennen. Schlaf wieder ein!«