Band 29 - thule-italia.net
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anzuleuchten. Sie flüchten sich vollständig waffen-, wehr- und willenlos in irgend eines Starken Schutz und<br />
Schirm. Er sinkt und sinkt und sinkt; sie aber steigen. Und dann, wenn er am Abgrund steht, von aller Welt<br />
verlassen, nur nicht von Dem, der liebevoll den Fuß erhebt, um dankbar ihn vollends hinabzutreten, erkennt<br />
er endlich, aber viel zu spät, daß sie nichts weniger als arme Schatten waren. Die Willenlosigkeit war<br />
höchste Energie, die Schwäche nur die Maske der Gewalt, und jede Bitte, welche er gewährte, in Wahrheit<br />
ein Befehl, dem er gehorchen mußte. Das Allerschlimmste aber ist, o Schakara, daß diese Büberei nie<br />
eignen Schatten wirft, weil sie ja stets im Schatten Andrer schwelgt. Darum erscheinen diese Fleckenlosen<br />
der heiligen Einfalt drei- und zehnmal heilig, und wenn sie noch dazu so glücklich sind, vor ihrem Tode<br />
nicht entlarvt zu werden, so glaubt die liebe, liebe Unvernunft, daß sie an ihnen viel, sehr viel verloren<br />
habe, der Himmel aber viel, sehr viel gewonnen! Wenn die Ruinen da erzählen könnten! Ich sah im<br />
Traume, wie man sich verkroch! Da ging ich ruhig weiter. Doch, sollte das Geträumte sich erfüllen, so wird<br />
statt nur gefackelt, dann geleuchtet! Du weißt, wie gut wir hier versehen sind: an Fackeln fehlt es nicht!«<br />
Hier wurde unser Gespräch unterbrochen. Drüben in den Ruinen, im obern Teile derselben, erschien<br />
nämlich Kara Ben Halef. Er sah uns sitzen und winkte uns zu, daß er zu uns kommen werde. Er ging nicht<br />
grad auf dem Glockenpfade, sondern er stieg über das Gestein gleich quer herab und kletterte an einer<br />
verwitterten Mauerstelle zu uns herauf.<br />
»Effendi, ich habe einen Gefangenen!« sagte er.<br />
»Wie? Einen Gefangenen?« fragte ich. »Hat man hier im tiefsten Frieden Gefangene zu machen?«<br />
»Ist das Friede, wenn Jemand sich nicht friedlich zu mir verhält?«<br />
»Wer ist es?«<br />
»Kein Dschamiki, sondern ein Fremder. Ich kenne ihn nicht, und er weigerte sich, Auskunft zu geben.«<br />
»Wo?«<br />
»Da drüben, in einer der alten Kirchen. Ich ging heut schon sehr früh wieder einmal durch die Ruinen. Man<br />
spricht im Duar davon, daß es dort wohl noch versteckte Plätze und verborgene Dinge gebe, die man noch<br />
nicht entdeckt habe. Ich bin derselben Meinung. Die vertriebenen Massaban, die in dem Gemäuer hausten,<br />
kennen es wahrscheinlich besser als wir, da sie dort ihre Schlupfwinkel hatten. Und wer zu dieser Sorte von<br />
Menschen gehört, weiß besser Bescheid, als jeder Dschamiki. Darum muß uns jeder Fremde, der die<br />
Ruinen ohne unser Wissen betritt, verdächtig erscheinen. Folglich war ich sofort argwöhnisch, als ich in so<br />
früher Morgenzeit Schritte hörte, die sich der Stelle näherten, in der ich mich befand. Das war in dem<br />
runden Quaderturme, der trotz seiner starken Mauern schon fast in sich zusammengestürzt ist. Es führt nur<br />
eine Tür hinein, keine andere hinaus. Ich stand in der Nähe derselben und drückte mich fest an die Wand,<br />
um nicht sogleich gesehen zu werden. Der, welcher kam, trat ein. Ein hagerer Mann, nicht groß, aber stark;<br />
das habe ich dann gespürt. Er fühlte sich so sicher, daß er sich gar nicht umschaute, und ging zum nächsten,<br />
großen Brocken der eingefallenen Mauer, und sich da niederzusetzen. Dabei drehte er sich um und mußte<br />
mich nun sehen. Ich war schnell an den Eingang getreten, um ihm die etwaige Flucht zu versperren. Er<br />
erschrak, nahm sich aber zusammen und fragte mich, wer ich sei und was ich hier wolle. Das klang so<br />
gebieterisch, als ob er der Herr an diesem Orte sei. Und als nun aber ich Auskunft forderte, wurde er grob<br />
und warf sich plötzlich auf mich, um zu entkommen. Dabei hatte er ein langes Messer gezogen und schrie<br />
mich an, daß er mich sofort erstechen werde, wenn ich nicht darauf verzichte, ihn festzuhalten. Er stach<br />
auch wirklich zu. Schau hier, den Schlitz im Aermel! Das war auf das Herz abgesehen! Ich entging der<br />
Gefahr aber durch eine schnelle Wendung, entriß ihm die Waffe, warf sie fort und rang ihn auf den Boden<br />
nieder. Das war aber nicht leicht. Dieser Mensch besaß viel Kraft und Gewandtheit. Er rang meisterhaft,<br />
ruhig, still, den Atem berechnend und jeden Griff genau überlegend, ohne dabei ein einziges Wort zu<br />
sagen. Es scheint mir, als habe er schon oft in dieser Weise um seine Freiheit oder gar um sein Leben<br />
ringen müssen. Er hatte Uebung! Aber er kam trotz aller Mühe nicht auf; ich hielt ihn unter mir, bis seine<br />
Kräfte schwanden und ich dadurch eine Hand frei bekam, ihm die Halsader zusammenzudrücken. Da