Band 29 - thule-italia.net
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sich ziehen, denen wir sofort vorzubeugen haben. Dein Blut ist bereits wieder mit Stoffen geschwängert,<br />
welche unbedingt entfernt werden müssen. Zum Glück ist Alles vorhanden, was wir dazu brauchen. Ich<br />
bitte dich, mich wieder als deinen Arzt zu betrachten! Denke von jetzt an nur an dich selbst, an deine<br />
Genesung; alles Andere schlage dir aus dem Sinn! Das bist du dir, mir und uns Allen schuldig!«<br />
»Aber der Aschyk? Mein Syrr? Der verborgene Gang, welcher untersucht werden muß?« warf ich ein.<br />
»Das ist es eben, woran du jetzt nicht denken sollst!« antwortete er. »Ich gebe dir die Versicherung, daß du<br />
dich nicht zu sorgen brauchst. Habe ich während meiner Abwesenheit dir vertraut, so vertraue du nun auch<br />
mir!«<br />
Er hatte Recht, und so ließ ich denn mit mir machen, was er für geboten hielt. Er verord<strong>net</strong>e zunächst ein<br />
Bad, so heiß wie möglich. Während desselben hatte man mein Lager heraus auf die Plattform geschafft,<br />
damit ich nur die beste Luft atmen möge. Ein Leinendach war angebracht worden, um Schatten zu geben.<br />
Der für seine Muttersprache begeisterte Germane nennt so ein Dach »Marquise«. Dort legte ich mich<br />
nieder und trank einen Tee, welcher alle Poren öff<strong>net</strong>e und mir aber dafür die Augen schloß. Ich schlief ein.<br />
Als ich erwachte, war es Nacht. Veilchen dufteten, drüben an der Balustrade saß Schakara, vom Monde<br />
hell beleuchtet. Ich sah, daß sie die Augen auf mich gerichtet hielt.<br />
»Dschanneh, wo sind die Veilchen her?« fragte ich. »Im Garten und auf der Weide blühen sie nicht mehr.«<br />
»Ich ließ sie von hoch oben holen,« antwortete sie.<br />
»Jenseits des Alabasterzeltes hören sie gar nicht auf, zu blühen und zu duften. Du hast sehr gut geschlafen<br />
und sehr regelmäßig geatmet. Nun sag, kannst du klar und deutlich denken? Oder macht es dir Mühe,<br />
Gedanken zu fassen und festzuhalten?«<br />
»Gar keine Mühe! Es liegt Alles bestimmt und scharf vor meinem Geiste. Ich könnte dir ohne die geringste<br />
Anstrengung jedes einzelne Wort wiederholen, welches drüben im Allerheiligsten gesprochen worden ist.«<br />
»Das ist gut, sehr gut! Deinem geistigen Körper sind die Ansteckungsstoffe also fern geblieben, und aus<br />
dem leiblichen werden wir sie schnell wieder herausbekommen.«<br />
»So ist also wohl kein Rückfall zu befürchten?«<br />
»Da es so steht, nicht. Der Ustad ist derselben Meinung wie ich. Er war öfters hier; erst wieder vor einigen<br />
Minuten.«<br />
»Nun aber schläft er wohl?«<br />
»Schlafen? Was nennst du Schlaf, Effendi? Ich schlafe wohl auch, indem ich hier bei dir wache; aber so oft<br />
du die Augen öffnest, wirst du die meinen auch offen sehen. Du nennst mich ja Dschanneh!«<br />
Das waren so tiefe Worte! Sie sagten so viel über Leib und Geist und Seele. Ich dachte über sie nach und<br />
schloß dabei die Augen. Da rauschte Schakara's Gewand. Sie war aufgestanden, kam zu mir her, legte mir<br />
die Hand auf die Stirn und sagte:<br />
»Ich fühle, daß mein Bruder denkt. Er will den Sinn ergründen, der in meinen Worten liegt. Das ist aber<br />
nicht möglich, weil er noch so viele Stufen zu steigen hat, bis er dahin kommt, wo er mich verstehen kann.<br />
Und, weißt du, vergebliches Bemühen des Geistes bereitet der Seele Schmerzen. Darum zog es mich von<br />
dort auf und zu dir her. Bitte, denke nicht mehr darüber nach! Wir gehen ja, sobald hier Alles vollendet ist,