Band 29 - thule-italia.net
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festgestaltet gewesen war, ins Wanken kommen, tief erschüttert werden. Daher sein Bestreben, mich zu<br />
sich heran in das Gespräch zu ziehen und so lange festzuhalten, bis er deutlich sehe, wo eigentlich das<br />
wahre Christentum zu finden sei, bei ihm oder bei diesem Anderen. Wo es zu suchen sei, das wußte ich<br />
genau, durfte es ihm aber nicht in deutlichen Worten sagen, weil die Klarheit in seinem eigenen Innern<br />
aufzutauchen hatte. Daher mein dilatorisches Verhalten, die Dehnung unsres Stoffes und dann aber auch<br />
unsere gemeinschaftliche Freude, als die Antwort endlich, endlich aus dem Alabasterzelte herabgestiegen<br />
kam.<br />
Nun war es hell und licht geworden, sogar während meines Schlafes. Ich weiß, ich träumte nicht, und<br />
dennoch war es mir, als ob ich träume. Wer war ich wohl, und wo befand ich mich? Ich atmete nicht, und<br />
doch war alles Odem! Ich bewegte mich nicht, und doch wallten tausend und abertausend Wogen<br />
unendlichen Glückes in mir. Meine Augen waren geschlossen, und dennoch sah ich Herrlichkeiten rings<br />
um mich her, die unbegreiflich sind. Und plötzlich hatte ich Flügel. Ich flog. Wohin? Durch Ewigkeiten!<br />
Bis ich müde wurde und nach einem Punkte suchte, an dem ich ruhen könne. Und ich fand ihn, fand ihn<br />
wieder, diesen meinen irdischen Ruhepunkt im Reiche der Ewigkeiten. Und wo lag er? Im Schlafe, im<br />
tiefen, tiefen Schlafe. Ich neigte mich trotzdem zu ihm nieder und -- schlug die Augen auf.<br />
Da stand die Sonne schon in des Vormittags Mitte, und um mich her war alles licht und warm. Das<br />
Geräusch des Tages drang zu mir herauf. Ich fühlte mich gekräftigt und so frisch, wie schon seit langer Zeit<br />
nicht mehr. Ich stand also auf und ging auf das freie Dach hinaus. Im Hofe unten wurden die Kamele des<br />
Ustad gesattelt. Ihn selbst sah ich nicht. Links drüben grasten unsere Pferde auf der bergigen Weide,<br />
welche an den Komplex der Ruinen grenzte. Der See glänzte azurblau zu mir herauf. Die Bewohner des<br />
Duar waren in lebhafter Bewegung, natürlich der Reise ihres Ustad wegen. Von meinem Vorplatze führten<br />
Stufen hinüber nach dem Glockenwege, welcher, von oben herabkommend, sich bis zur Gartenhöhe<br />
niedersenkte, wo die Quelle sprudelte, neben welcher sich der Herr des hohen Hauses eine rundum<br />
eingefaßte Badestelle abgeschlossen hatte. Ein solches Bad erschien mir sehr von Nutzen. Darum stieg ich<br />
da außen langsam am Berg hinab und fand die Tür zum Wasser geöff<strong>net</strong>. Wie das erfrischte, dem Körper<br />
doppelte Kraft zu geben schien!<br />
Als ich fertig war, spazierte ich auf dem weichen Grase zu unsern Pferden hin. Welche Freude, als sie mich<br />
erkannten! Als ich mich dann wieder entfernte, wollten sie partout mitgehen, und ich hatte sie sehr<br />
eindringlich zu bedeuten, daß ich dies für jetzt nicht wünsche. Nun durch den Garten nach dem Hofe<br />
gehend, kam ich an der Küche vorüber. Diese stand offen. Die »Festjungfrau« sah mich, kam heraus,<br />
schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, daß es nur so klatschte, und rief:<br />
»Maschallah, du schläfst nicht mehr, Effendi! Das ganze Haus durfte sich nicht laut bewegen, um dich ja<br />
nicht zu wecken. Wie hat unser Ustad dich doch gar so lieb!«<br />
»Wo befindet er sich jetzt?« erkundigte ich mich.<br />
»In seiner Stube.«<br />
»Und Agha Sibil?«<br />
»Der sitzt mit seinem Sohne in der Halle. Ich habe die halbe Nacht hindurch gebacken und gebraten, um<br />
Proviant für die Reise nach Isphahan zu machen. Für dich aber habe ich trotzdem immer Zeit. Weißt du,<br />
Effendi, um was ich den Ustad gebeten habe, was er mir aus der Hauptstadt mitbringen soll?«<br />
»Nun?«<br />
»Eine Kasawaika!«<br />
(* Polnischer Aermelmantel für Frauen.)