Formale Methoden I - Universität Bielefeld
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31<br />
Freundes meines Nachbarn”. Diese suggerieren, dass es ein Objekt gibt, welches<br />
durch die Kennzeichnung eindeutig bestimmt ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn<br />
die Beschreibung ein und nur ein Objekt zum Gegenstand hat wie etwa “mein Geburtstag”.<br />
Wenn ich von meinem Geburtstag spreche, so ist dies ein Tag im Jahr,<br />
der nicht nur existiert sondern auch eindeutig ist. Eine definite Kennzeichnung<br />
kann auf zwei Weisen verunglücken. Die erste ist, wenn es gar kein Objekt gibt,<br />
auf das die Eigenschaft verweist (etwa “mein Auto”, denn ich habe keins). Russell<br />
benutzte hier das Beispiel vom “heutigen König von Frankreich”, der nicht<br />
existiert. Die zweite Möglichkeit ist, wenn es mehr als ein Objekt gibt. Etwa in<br />
dem Ausdruck “mein Nachbar”, denn ich habe mehrere Nachbarn. In der Theorie<br />
bezeichnet ein Ausdruck “derΦ” oder “meinΦ” nichts, wennΦnicht auf genau<br />
ein Objekt zutrifft. In der Mathematik gibt es haufenweise solcher definiter Kennzeichnungen.<br />
Eine davon ist versteckt in “ f (x)=y”. Sofern f eine Relation ist,<br />
bezeichnet f (x) dasjenige y mit〈x, y〉∈ f . Damit das für alle x∈ M wohldefiniert<br />
ist, muss f eine Funktion auf M sein.<br />
6 Rekursion<br />
Rekursion spielt nicht nur in der Mengenlehre eine wichtige Rolle. Aus der Mathematik<br />
und Informatik ist sie gar nicht wegzudenken. Die Rekursion ist ein Definitionsschema,<br />
das einen Gegenstand nicht direkt definiert sondern mit Hilfe anderer<br />
Gegenstände, die ihrerseits oft nicht direkt definiert sind. Als Beispiel möge<br />
hier die Definition der Exponentiation dienen.<br />
(41)<br />
n 0 := 1<br />
n m+1 := n·n m<br />
Der Witz an der Definition ist der, dass nur der Ausdruck n 0 direkt definiert ist: er<br />
ist gleich 1 (übrigens auch, wenn n=0). Der Ausdruck n m kann für m>0 nur<br />
so berechnet werden, dass man zunächst n (m−1) ausrechnet und dann mit n multipliziert.<br />
(In der Gleichung oben habe ich anstelle von n m n m+1 gewählt, weil das<br />
garantiert, dass im Exponenten eine Zahl> 0 steht.) Das sieht zirkulär aus; augenscheinlich<br />
definiert man die Exponentiation mittels der Exponentiation selbst.<br />
Aber trotzdem kann man jede Exponentiation exakt lösen. Denn die Exponentiation<br />
mit der Zahl m wird ja durch die Exponentiation mit der Vorgängerzahl m−1<br />
erklärt. Und wenn m>0 eine natürliche Zahl ist, so kommt auf diesem Wege<br />
tatsächlich zu einem expliziten Ergebnis. Man steigt einfach die Treppe abwärts: