Formale Methoden I - Universität Bielefeld
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Die endlichen Kardinalzahlen sind die Mengen n, die wir schon definiert haben.<br />
Die erste unendliche Kardinalzahl heißtℵ 0 . Diese ist definiert durch<br />
(71) ℵ 0 :={0, 1, 2, 3,···}<br />
Eine Menge, welche gleichmächtig ist mitℵ 0 heißt abzählbar unendlich. (In<br />
vielen Büchern sagt man nur abzählbar, aber ich halte das für verwirrend.) Ich<br />
gebe hier ein Beispiel einer Ordinalzahl an, welche keine Kardinalzahl ist:<br />
(72) ℵ 0 + 1 :=ℵ 0 ∪{ℵ 0 }<br />
Dies ist die Mengeℵ 0 vermehrt um ein einziges Element. Ich gebe ohne Beweis<br />
an, dass es eine Bijektion zwischen dieser Menge und der Mengeℵ 0 gibt. Daher<br />
ist dies keine Kardinalzahl. Um eine Menge zu bekommen, die echt größer ist als<br />
ℵ 0 , muss man schon etwas härter arbeiten.<br />
Das Kontinuum ist die Menge aller Teilmengen vonℵ 0 (also℘(ℵ 0 )). Dies ist<br />
zwar keine Kardinalzahl, aber man kann zeigen, dass diese Menge echt mächtiger<br />
ist alsℵ 0 . Ich führe den Beweis hier vor. Jede Teilmenge S vonℵ 0 stellen wir<br />
als eine unendlich lange Folge f von Nullen und Einsen dar. Diese Folge ist so<br />
beschaffen, dass an der Stelle n dieser Folge eine 1 steht, wenn n∈S , andernfalls<br />
steht eine Null. Die Menge der geraden Zahlen wird also zu der Folge<br />
(73) 10101010101010···<br />
(Bedenken Sie, die erste Stelle heißt 0, und 0 ist gerade.) Die Menge der Primzahlen<br />
wird übersetzt in<br />
(74) 00110101000101···<br />
Offenkundig ist die Korrespondenz zwischen Teilmengen vonℵ 0 und Folgen exakt<br />
(= bijektiv). Wir nehmen nun an, es gebe ein Aufzählung der Teilmengen von<br />
ℵ 0 in der Form S 0 , S 1 , S 2 und so weiter (also eine Bijektion vonℵ 0 auf℘(ℵ 0 )).<br />
Diese stellen wir nun als eine Aufzählung sämtlicher 0-1-Folgen dar, das heißt,<br />
wir haben eine Aufzählung f 0 , f 1 , f 2 sämtlicher 0-1-Folgen. Ich definiere nun eine<br />
Folge f ∗ wie folgt:<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
(75) f ∗ 1 falls f i (i)=0<br />
(i) := ⎪⎩ 0 falls f i (i)=1<br />
Ich behaupte, dass die Folge f ∗ in dieser Aufzählung nicht vorkommt. Denn wenn<br />
sie dort vorkommt, so hat sie eine Nummer, sagen wir i; dann ist also f ∗ = f i .