Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
In einer Krypta des Tempels von Jetro meditiert Moses, allein auf einem<br />
Grabstein sitzend. <strong>Die</strong> Mauern und die Pfeiler sind bedeckt mit Hieroglyphen und<br />
Gemälden, welche die Namen und Gestalten der Götter aller Völker darstellen. <strong>Die</strong><br />
Geschichte der vergangenen Weltalter ist in diesen Symbolen zusammengedrängt,<br />
und sie verkünden die neuen Kreisläufe. Eine auf dem Boden stehende<br />
Naphthalampe beleuchtet schwach diese Zeichen, von denen jedes eine Sprache zu<br />
ihm spricht. Doch schon sieht er nichts von der äußeren Welt; er sucht in sich selbst<br />
das Wort seines Buches, die Gestalt seines Werkes, die Sprache, welche zur Tat<br />
werden wird: die Lampe ist erloschen, aber vor seinem innern Auge flammt auf in<br />
der Krypta dieser Name:<br />
IEVE.<br />
Der erste Buchstabe I hat die weiße Farbe des Lichts, – die drei andern erstrahlen<br />
wie wechselndes Feuer in allen Farben des Regenbogens. Und welch sonderbares<br />
Leben in diesen Schriftzügen! In dem Anfangsbuchstaben erblickt Moses das<br />
männliche Prinzip, Osiris, den schöpferischen Geist, – in Eve die empfangende<br />
Kraft, die himmlische Isis, die einer seiner Teile ist. So entfalten sich und ordnen<br />
sich an im Schöße der Gottheit die göttlichen Eigenschaften, welche die Welten im<br />
Keim in sich tragen. Durch ihre vollkommene Vereinigung bilden<br />
unaussprechliches Väterliches und Mütterliches den Sohn, das lebendige Wort,<br />
welches das Universum schafft. Das ist das Mysterium der Mysterien, das den<br />
Sinnen verschlossen ist, das aber durch das Zeichen des Ewigen spricht wie der<br />
Geist zum Geiste. Und das heilige Tetragramm leuchtet auf in immer blendenderem<br />
Licht. Moses sieht, wie aus ihm in <strong>großen</strong> Strahlenausströmungen die drei Welten<br />
hervorquellen, alle Reiche der Natur und die erhabene Reihenfolge der<br />
Wissenschaften. Da konzentriert sich sein glühendes Auge auf das männliche<br />
Zeichen des schöpferischen Geistes. Ihn ruft er an, auf daß er herabsteige in den<br />
Kreis der Schöpfungen und ausgieße in den unabhängigen Willen der Kraft, zu<br />
verwirklichen die eigene Schöpfung, nachdem er das Werk des Ewigen betrachtet<br />
hat.<br />
Da plötzlich leuchtet auf im Innern der Krypta der andere göttliche Name:<br />
AELOHIM.<br />
Er bedeutet für den <strong>Eingeweihten</strong>: Er – die Götter, der Gott der Götter. Es ist nicht<br />
mehr das im Absoluten in sich selbst ruhende Wesen, sondern der Herr der Welten,<br />
dessen Gedanke sich in Millionen Sternen entfaltet, den beweglichen Sphären<br />
schwebender Weltenketten. »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Aber dieser<br />
Himmel war im Anfang nur der Gedanke von Zeit und Raum in ihrer<br />
Grenzenlosigkeit, welcher die Leere und das Schweigen beiwohnen. »Und der Geist<br />
Gottes schwebte über den Wassern 45 .« Was wird seinem Schöße zuerst entsteigen?<br />
Eine Sonne? Ein Mond? Ein Nebel? Irgendeine der Substanzen dieser sichtbaren<br />
Erde? Was zuerst geboren wurde, war Aur, das Licht.<br />
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