Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
Endlich erscheint das Christentum selbst, d. h. die Religion Christi, in seiner Größe<br />
und seiner Weltbedeutung nur dann, wenn es uns seinen esoterischen Inhalt enthüllt.<br />
Dann nur erscheint es als die Erfüllung alles dessen, was ihm vorangegangen ist, als in<br />
sich schließend die Quellen, das Endziel und die Mittel zur vollständigen<br />
Wiedererneuerung der Menschheit. Nur indem es uns seine letzten Mysterien enthüllt,<br />
wird es das werden, was es wirklich ist: die Religion der Verheißung und der<br />
Erfüllung, d. h. der universellen Initiation.<br />
Moses, der ägyptische Eingeweihte und Priester des Osiris, war unbestreitbar der<br />
Organisator des Monotheismus. Durch ihn trat dieses Prinzip, das bis dahin unter dem<br />
dreifachen Schleier des Mysteriums verborgen gewesen war, aus dem Innern des<br />
Tempels in den Bereich der Geschichte. Moses hatte die Kühnheit, aus dem<br />
höchsten Prinzip der Einweihung das einzige Dogma einer nationalen Religion zu<br />
machen.<br />
Der Gedanke des Moses und der Propheten überlebte und ist gewachsen.<br />
Entwickelt und verklärt durch das Christentum, wiederaufgenommen durch den Islam,<br />
obgleich auf einer niedrigeren Stufe, mußte er sich dem barbarischen Okzident<br />
aufdrängen und auf Asien selbst zurückwirken. Von nun an mag die Menschheit tun,<br />
was sie will, sich empören, sich in krampfhaften Zuckungen wider sich selbst<br />
aufbäumen, sie wird um diesen zentralen Gedanken kreisen wie der Weltennebel um<br />
die Sonne, die ihn organisiert. Das ist das Riesenwerk des Moses.<br />
Für dieses Unternehmen, das großartigste seit dem prähistorischen Auszug der<br />
Arier, fand Moses ein schon vorbereitetes Werkzeug in den Stämmen der Hebräer, in<br />
jenen besonders, die sich in, Ägypten im Tal von Goshen niedergelassen hatten und<br />
dort in der Knechtschaft unter dem Namen der Beni-Jakob lebten. Zur Begründung<br />
einer monotheistischen Religion hatte er auch Vorgänger gehabt in jenen friedfertigen<br />
Nomadenkönigen, welche die Bibel uns darstellt in der Gestalt Abrahams, Isaaks und<br />
Jakobs.<br />
Werfen wir einen Blick auf diese Hebräer und diese Patriarchen. Man kannte sie<br />
seit Jahrhunderten, diese Ibrim, diese unermüdlichen Nomaden, diese ewigen<br />
Verbannten 35 . Brüder der Araber, hatte man sie unter dem Namen Bedonen<br />
(Beduinen) den Norden Afrikas durchstreifen sehen, diese Männer ohne Wohnung<br />
und Bett; dann ihre beweglichen Zelte, in den weiten Wüsten zwischen dem Roten<br />
Meer und dem Persischen Golf, dem Euphrat und Palästina aufpflanzen sehen. Als<br />
Beförderungsmittel der Esel oder das Kamel, als Haus das Zelt, als einziges Gut<br />
Herden, umherirrend wie sie und auf fremder Erde weidend. Wie ihre Ahnen, die<br />
Ghiborim, wie die ersten Kelten haßten diese Unfügsamen den behauenen Stein, die<br />
befestigte Stadt, den Frondienst und den steinernen Tempel. Und doch übten die<br />
ungeheuren Städte, Babylon und Ninive mit ihren riesigen Palästen, ihren Mysterien<br />
und ihren Ausschweifungsstätten eine unbesiegliche Anziehungskraft aus auf diese<br />
halben Wilden. Hineingelockt in diese steinernen Gefängnisse, durch die Soldaten der<br />
Könige von Assyrien zu Gefangenen gemacht, in Rotten verteilt in ihren Armeen,<br />
ergaben sie sich manchmal den Orgien Babylons.<br />
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