Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
Jupiter ist der göttliche Gatte und die göttliche Gattin, Mann und Weib, Vater und<br />
Mutter. Ihrer heiligen Ehe, ihrer ewigen Verbindung entspringen beständig das Feuer<br />
und das Wasser, die Erde und der Äther, die Nacht und der Tag, die stolzen Titanen,<br />
die unwandelbaren Götter und die webende Saat der Menschheit.<br />
<strong>Die</strong> Liebe des Himmels und der Erde kennen Uneingeweihte nicht. <strong>Die</strong> Mysterien<br />
des Gatten und der Gattin werden nur den göttlichen Menschen enthüllt. Aber ich<br />
will kundmachen, was wahr ist. Eben erschütterte der Donner die Felsen; der Blitz<br />
fiel wie ein lebendiges Feuer, wie eine rollende Flamme hinein; und das Echo des<br />
Berges hallte vor Freude wider. Du aber, du zitterst, weil du nicht wußtest, woher<br />
dies Feuer kommt und wo es einschlägt. Es ist das männliche Feuer, der Same des<br />
Zeus, das schöpferische Feuer. Es entspringt dem Herzen und dem Hirn Jupiters; es<br />
regt sich in allen Wesen. Wenn der Blitz fällt, so schleudert ihn seine Rechte. Doch<br />
wir, seine Priester, wir kennen seine Essenz. Wir weichen seinen Pfeilen aus, und<br />
manchmal lenken wir sie.<br />
Und jetzt blick auf das Firmament. Schau auf den glänzenden Kreis von<br />
Gestirnen, über welche der leichte Flor der Milchstraße geworfen ist, dieses Sonnenund<br />
Weltenstaubes. Sieh den Orion flammen, sieh die Zwillinge funkeln und die<br />
Lyra erstrahlen. Es ist der Körper der göttlichen Gattin, die im harmonischen Taumel<br />
unter den Gesängen des Gatten ihre Kreise zieht. Blick hin mit den Augen des<br />
Geistes; und du wirst ihr zurückgebeugtes Haupt, ihre ausgestreckten Arme sehen,<br />
und du wirst ihren sternenbesäten Schleier heben.<br />
Jupiter ist der göttliche Gatte und die Gattin. Das ist das erste Mysterium.<br />
Und jetzt, Kind Delphis, bereite dich zur zweiten Einweihung. Erschaure, weine,<br />
freue dich, bete an! Denn dein Geist wird in die brennende Zone tauchen, wo der<br />
große Demiurg im Kelch des Lebens die Mischung der Seele und der Welt vollzieht.<br />
Indem sie aus diesem berauschenden Kelch trinken, vergessen die Seelen den<br />
göttlichen Aufenthalt und steigen hinunter in den leidvollen Abgrund der<br />
Generationen.<br />
Zeus ist der große Demiurg, Dionysos ist sein Sohn, sein manifestiertes Wort.<br />
Dionysos, der strahlende Geist, die lebendige Vernunft, leuchtete auf in den<br />
Wohnungen seines Vaters, im Palast des unwandelbaren Äthers. Eines Tages schaute<br />
er, hinab sich beugend, auf die Abgründe des Himmels zwischen den Konstellationen;<br />
in der blauen Tiefe sah er widergespiegelt sein eigenes Bild, das ihm die<br />
Arme entgegenstreckte. Entzückt von diesem schönen Phantom, hingerissen von<br />
seinem eigenen Doppelwesen, stürzte er hinunter, um es zu ergreifen. Aber das Bild<br />
floh, floh immer weiter, und zog ihn hinab in die Tiefe des Abgrunds. Endlich fand<br />
er sich in einem schattigen und duftenden Tal und genoß die sanften Liebkosungen<br />
einer wollüstigen Brise. In einer Grotte erblickte er Persephone. Maia, die schöne<br />
Weberin, wob einen Schleier, in welchem er die Bilder aller Wesen wallen sah. Vor<br />
der göttlichen Jungfrau blieb er entzückt stehen. In diesem Augenblick erblickten ihn<br />
die stolzen Titanen, die freien Titaniden.<br />
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