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Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten

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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />

Durch diese Antwort gab Jesus Petrus zu verstehen, daß er ihn in demselben Sinn<br />

als eingeweiht betrachtete wie sich selbst: durch das innere und tiefe Schauen der<br />

Wahrheit. Das ist die einzige, die wahre Offenbarung, das ist »der Fels, auf dem<br />

Christus seine Kirche bauen will und gegen welchen die Tore der Hölle nicht<br />

aufkommen werden«. Jesus baut auf den Apostel Petrus nur in dem Maß, als er dieses<br />

Verständnis haben wird. Einen Augenblick später, da dieser wieder der natürliche,<br />

furchtsame und beschränkte Mensch geworden ist, behandelte ihn der Meister ganz<br />

anders. Als Jesus seinen Jüngern verkündet hatte, daß er in Jerusalem getötet werden<br />

würde, protestierte Petrus:<br />

»Das wolle Gott nicht, Herr, daß dir das geschehe.« Aber, als ob Jesus in dieser<br />

Bewegung der Sympathie eine Versuchung des Fleisches erblickte, die seinen <strong>großen</strong><br />

Entschluß zu erschüttern versuchte, wandte er sich lebhaft zum Apostel und sagte:<br />

»Hebe dich von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du verstehst nicht die<br />

Dinge, die von Gott sind, sondern nur, die von den Menschen sind 85 .«<br />

Man war zu den Toren Cäsareas gekommen. <strong>Die</strong> seit Antiochus dem Großen<br />

heidnisch gewordene Stadt barg sich in einer grünenden Oase, an der Quelle des<br />

Jordan, am Fuß der schneeigen Gipfel des Hermon. Sie hatte ihr Amphitheater, sie<br />

erstrahlte von prunkvollen Palästen und griechischen Tempeln. Jesus durchschritt sie<br />

und näherte sich dem Ort wo in sprudelnden Wogen der Jordan einer Höhle des<br />

Berges entquillt wie das sprudelnde Leben dem tiefen Schoß der unbeweglichen<br />

Natur. Es gab dort einen kleinen Tempel, der dem Pan gewidmet war, und in der<br />

Grotte, auf den Ufern des werdenden Stromes, eine Menge von Säulen, Marmor-<br />

Nymphen, heidnischen Gottheiten. <strong>Die</strong> Juden hatten einen Abscheu vor diesen<br />

Zeichen eines heidnischen Kultus. Jesus blickte sie an ohne Zorn, mit nachsichtigem<br />

Lächeln. Er erkannte in ihnen die unvollkommenen Abbilder der göttlichen<br />

Schönheit, deren strahlende Urbilder er in seiner Seele trug. Er war nicht gekommen,<br />

um das Heidentum zu verdammen, sondern um es zu verklären; er war nicht<br />

gekommen, um das Anathema auf die Erde und ihre geheimnisvollen Mächte zu<br />

werfen, sondern um ihr den Himmel zu zeigen. Sein Herz war groß genug, seine<br />

Lehre weit genug, um alle Völker zu umfassen und allen Kulten zu sagen: »Erhebt<br />

das Haupt und erkennet, daß ihr alle den einen Vater habt.« Und doch befand er sich<br />

an der äußersten Grenze Israels, gejagt wie ein wildes Tier, eingeschlossen, erstickt<br />

zwischen zwei Welten, die beide ihn zurückstießen. Vor ihm die heidnische Welt, die<br />

ihn noch nicht verstand und in der sein Wort ohnmächtig verhallte; hinter ihm die<br />

jüdische Welt, das Volk, das seine Propheten steinigte, sich die Ohren verstopfte, um<br />

seinen Messias nicht zu hören; die Meute der Pharisäer und der Sadduzäer lauerte auf<br />

ihre Beute. Welch übermenschlichen Mutes, welch unerhörter Tat bedurfte es denn,<br />

um all diese Hindernisse zu überwinden, um durchzudringen durch den<br />

heidnischen Götzendienst und die jüdische Härte bis in das Herz dieser leidenden<br />

Menschheit, die er mit all seinen Fibern liebte, um sie sein Auferstehungswort<br />

vernehmen zu lassen?<br />

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