Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
Er fesselte, er riß mit sich fort die erstaunte Menge, die, indem sie ihm zuhörte, sich<br />
für Tugend und Wahrheit begeisterte.<br />
Der Senat von Krotona oder Rat der Tausend ängstigte sich über diesen Einfluß.<br />
Er forderte Pythagoras auf, Rechenschaft vor ihm abzulegen über sein Betragen und<br />
die Mittel, die er anwandte, um die Geister zu unterwerfen. <strong>Die</strong>s gab ihm die<br />
Gelegenheit, seine Gedanken über Erziehung zu entwickeln und den Beweis zu<br />
bringen, daß diese, weit davon entfernt, die dorische Verfassung Krotonas zu<br />
bedrohen, sie im Gegenteil befestigen würde. Als er die reichsten Bürger und die<br />
Mehrheit des Senats für seine Pläne gewonnen hatte, schlug er ihnen die Gründung<br />
eines Instituts für sich und seine Jünger vor. <strong>Die</strong>se Bruderschaft von weltlichen<br />
Initiierten sollte ein gemeinschaftliches Leben führen in einem dazu errichteten<br />
Gebäude, aber ohne sich von dem bürgerlichen Leben zu trennen. <strong>Die</strong>jenigen unter<br />
ihnen, die schon den Namen Meister verdienten, sollten in den physischen,<br />
psychischen und religiösen Wissenschaften unterrichten können. <strong>Die</strong> jungen Leute<br />
sollten zu den Stunden der Lehrer und zu den verschiedenen Graden der Initiation<br />
zugelassen werden, je nach ihrer Intelligenz und ihrer Willenskraft, unter der<br />
Kontrolle des Hauptes des Ordens. Sie mußten damit beginnen, daß sie sich den<br />
Regeln des gemeinschaftlichen Lebens unterwarfen und den ganzen Tag im Institut<br />
zubrachten unter der Aufsicht der Lehrer. <strong>Die</strong>jenigen, die dem Orden in aller Form<br />
beitreten wollten, sollten ihr Vermögen einem Kurator überlassen. Es sollte im<br />
Institut eine Sektion für die Frauen geben mit gleicher Initiation, nur abgesondert und<br />
gestimmt auf die Pflichten ihres Geschlechts.<br />
<strong>Die</strong>ses Projekt wurde vom Senat von Krotona mit Begeisterung aufgenommen,<br />
und nach einigen Jahren sah man in der Nähe ein Gebäude sich erheben, umgeben<br />
von weiten Säulenhallen und schönen Gärten. <strong>Die</strong> Krotoniaten nannten es den<br />
Tempel der Musen. Und in der Tat: In der Mitte des Gebäudekomplexes, neben der<br />
bescheidenen Wohnung des Meisters, gab es einen Tempel, der diesen Gottheiten<br />
geweiht war.<br />
So entstand das pythagoräische Institut, welches zugleich eine Hochschule der<br />
Erziehung, eine Akademie der Wissenschaften und eine kleine Musterschule unter<br />
der Leitung eines <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> wurde.<br />
Um uns eine Idee davon zu machen, wollen wir mit dem Novizen das<br />
pythagoräische Institut betreten und Schritt für Schritt seine Einweihung verfolgen.<br />
<strong>Die</strong> weiße Wohnung der initiierten Brüder strahlte auf einer Anhöhe zwischen<br />
Zypressen und Olivenbäumen. Von unten, längs dem Ufer kommend, erblickte man<br />
ihre Säulenhallen, ihre Gärten, ihr Gymnasium. Der Tempel der Musen überragte die<br />
zwei Flügel des Gebäudes mit seinem kreisförmigen Säulengang von eleganter<br />
Leichtigkeit. Von der Terrasse der äußeren Gärten überschaute man die Stadt mit<br />
ihrem Prytaneum, ihrem Hafen, ihrem <strong>großen</strong> Platz. In der Ferne, zwischen den<br />
spitzen Ufern, breitete sich der Golf aus wie in einem Kelch von Achat, und das<br />
ionische Meer schloß den Horizont mit einer himmelblauen Linie.<br />
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