Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
Man opfert Stiere und Böcke den fremden Göttern, man beginnt zu trinken und zu<br />
essen, und um die Götzen herum, von den Töchtern Moabs geleitet, beginnen<br />
wollüstige Tänze bei den Klängen der Hörner, der Harfen und der Tamburine.<br />
<strong>Die</strong> siebzig Ältesten, die Moses zum Schutz der Bundeslade ausersehen hat,<br />
versuchen vergebens, durch ihre Beschwörungen dem Taumel zu steuern. Jetzt<br />
setzen sie sich auf die Erde, den<br />
Kopf mit einem Sack voll Asche bedeckt. Dicht aneinandergedrängt um die<br />
Stiftshütte und um die Bundeslade herum, hören sie mit Bestürzung das wilde<br />
Geschrei, die wollüstigen Gesänge, die Anrufung der verdammten Götter, dieser<br />
Dämonen der Wollust und der Grausamkeit. Sie sehen mit Schrecken, wie das Volk<br />
von einem Rausch der Freude und von der Empörung gegen seinen Gott gepackt ist.<br />
Was wird aus der Arche, dem Buch und aus Israel werden, wenn Moses nicht<br />
zurückkehrt?<br />
Doch Moses kehrt zurück. Von seiner langen Andacht, von seiner Einsamkeit auf<br />
dem Berg Älohims bringt er auf steinernen Tafeln das Gesetz 49 . Ins Lager<br />
zurückgekehrt, sieht er die Tänze, das Bacchanal des Volkes vor den Götzenbildern<br />
Astaroths und Belphegors. Beim Anblick des Priesters von Osiris, des Propheten von<br />
Älohim, hören die Tänze auf; die fremden Priester fliehen, die Meuterer halten ein.<br />
Der Zorn kocht in Moses wie ein verzehrendes Feuer. Er zerbricht die steinernen<br />
Tafeln, und man fühlt, daß er so das ganze Volk zerbrechen könnte und daß ein Gott<br />
von ihm Besitz ergriffen hat.<br />
Israel zittert, aber aus den Augen der Empörer lauern haßerfüllte Blicke, vermischt<br />
mit Furcht. Ein Wort, eine Gebärde des Zögerns von Seiten des Führer-Propheten,<br />
und die Hydra der götzendienerischen Anarchie würde ihre tausend Köpfe gegen ihn<br />
erheben und unter einen Hagel von Steinen die heilige Bundeslade, den Propheten<br />
und seine Idee zertrümmern. Aber Moses ist da und hinter ihm die unsichtbaren<br />
Mächte, die ihn beschützen. Er begreift, daß er vor allem die Seelen der siebzig<br />
Auserwählten zu der Höhe seiner eigenen erheben muß und durch sie das ganze<br />
Volk. Er ruft Älohim-Jeve an, den männlichen Geist, das ursprüngliche Feuer, in der<br />
Tiefe seines eigenen Innern und in der Tiefe des Himmels.<br />
»In meine Nähe die Siebzig!« ruft Moses. »Sie sollen die Arche nehmen und mit<br />
mir zum Berg Gottes steigen. Das Volk jedoch erwarte uns und zittre. Ich werde ihm<br />
den Ratschluß Älohims bringen.«<br />
<strong>Die</strong> Leviten nehmen die mit Schleiern umhüllte goldene Bundeslade unter dem<br />
Zelt heraus, und der Zug der Siebzig verschwindet in den Engpässen des Sinai. Man<br />
weiß nicht, wer mehr zittert, ob die Leviten aus Furcht vor dem, was sie sehen<br />
werden, oder das Volk aus Furcht vor der Strafe, die Moses über seinem Haupt<br />
drohen läßt wie ein unsichtbares Schwert.<br />
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