Edouard Schuré - Die großen Eingeweihten
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<strong>Edouard</strong> <strong>Schuré</strong> <strong>Die</strong> <strong>großen</strong> <strong>Eingeweihten</strong> Geheimlehren der Religionen<br />
<strong>Die</strong>se Tatsachen sind in der biblischen Geschichte naiv dargestellt worden als<br />
Besuche von Engeln, die man im Zelt beherbergt.<br />
Hatten diese Patriarchen einen tiefen Einblick in die Geistigkeit Gottes und in die<br />
religiösen Endziele der Menschheit getan? Ohne Zweifel. Wenn sie auch in positiver<br />
Wissenschaft den Magiern von Chaldäa und den ägyptischen Priestern nachstanden,<br />
so überragt sie diese wahrscheinlich durch die sittliche Höhe und durch die<br />
Seelengröße, die eine Folge des freien Wanderlebens ist. <strong>Die</strong> erhabene<br />
Gesetzmäßigkeit, die Aelohim im Weltall herrschen läßt, drückt sich in der sozialen<br />
Ordnung aus, im Kultus der Familie, in der Ehrfurcht zu den Frauen, in der<br />
leidenschaftlichen Liebe zu den Kindern, in der Beschützung des ganzen Stammes, in<br />
der Gastfreundschaft gegenüber dem Fremden. Mit einem Wort, diese »Hohenväter«<br />
sind natürliche Schiedsrichter zwischen den Familien und den Stämmen. Ihr<br />
patriarchalischer Stab ist ein Zepter der Gerechtigkeit. Sie wirken sittenverfeinernd<br />
und verbreiten um sich Sanftmut und Frieden. Hier und da sieht man aus der<br />
esoterischen Legende den patriarchalischen Gedanken hervorleuchten. So erkennen<br />
wir, wenn in Bethel Jakob im Traum eine Leiter sieht mit Aelohim an der Spitze und<br />
Engeln, die auf ihren Stufen auf- und niedersteigen, eine volkstümliche Form der<br />
Vision des Hermes und der auf- und absteigenden Evolution der Seelen.<br />
Eine historische Tatsache von höchster Wichtigkeit in bezug auf die Epoche der<br />
Patriarchen tritt uns entgegen in zwei offenbarenden Versen. Es handelt sich um eine<br />
Begegnung Abrahams mit einem Bruder in der Initiation. Nachdem er mit den<br />
Königen von Sodom und Gomorrha Krieg geführt hat, geht Abraham zu<br />
Melchisedek, um ihm seine Huldigung darzubringen. <strong>Die</strong>ser König hat seinen Sitz in<br />
der Festung, die später Jerusalem sein wird. »Melchisedek, König von Salem, ließ<br />
Brot und Wein holen, denn er war Priester des höchsten Gottes. Und er segnete<br />
Abraham, indem er sprach: >Gesegnet sei Abraham von dem höchsten Gott, dem<br />
Herrscher des Himmels und der Erde.< «<br />
(Gen. XIV, 18 und 19.)<br />
Hier ist also ein König von Salem der Hohepriester desselben Gottes wie<br />
Abraham. <strong>Die</strong>ser geht mit ihm um wie mit einem Vorgesetzten, einem Meister, und<br />
teilt mit ihm das Mahl des Brotes und des Weines, was im alten Ägypten ein Zeichen<br />
der Gemeinschaft unter <strong>Eingeweihten</strong> war. Es gab also ein Band der Bruderschaft,<br />
Erkennungszeichen und ein gemeinsames Ziel unter allen Anbetern Aelohims vom<br />
Innern Chaldäas an bis nach Palästina und einigen Heiligtümern Ägyptens.<br />
<strong>Die</strong>ser monotheistische Verband wartete nur auf einen Organisator.<br />
Zwischen dem geflügelten Stier von Assyrien und der Sphinx Ägyptens, die von<br />
weitem die Wüste beobachtet, zwischen der zermalmenden Tyrannei und dem<br />
undurchdringlichen Mysterium der Einweihung, schreiten sie vor, die auserwählten<br />
Stämme der Abramiten, der Jakobeliten, der Beni-Israel. Sie fliehen die schamlosen<br />
Feste Babylons, sie wenden sich ab von den Orgien Moabs, den Greueln Sodoms und<br />
Gomorrhas und dem schauerlichen Kult des Baal. Unter der Obhut der Patriarchen<br />
verfolgt die Karawane ihren mit seltenen Quellen und mageren Palmenbäumen<br />
versehenen Weg, dem Oasen als Richtschnur dienen.<br />
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