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WENN MAMA UND PAPA ANDERS SIND

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Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung<br />

Diese Mythen prägen die Debatten bis in die Gegenwart und sind, wie bereits angeführt,<br />

nur im historischen Kontext zu verstehen (vgl. Prangenberg 2008, S. 26).<br />

Viele Studien widmeten sich den Fragen des Missbrauchs und der Vernachlässigung von<br />

Kindern geistig behinderter Eltern, ihren erhöhten Entwicklungsrisiken und dem Misslingen<br />

der Elternschaften. Die Mythen galten lange und oft als Grundlage der Entscheidungsfindung<br />

im Umgang mit den betreffenden Familien. Dass die Fremdunterbringung der<br />

Kinder bis in die 90er Jahre gängige Praxis blieb, ist kein Zufall. Die zwangsweise Empfängnisverhütung<br />

bis hin zur Sterilisation 5 „potentieller Eltern“ galt lange als angestrebtes<br />

„Allheilmittel“. Das Misslingen einer Elternschaft von geistig behinderten Menschen stand<br />

häufig als Prämisse fest und entsprechende Studien dienten im Prinzip der Beweisführung<br />

einer scheiternden Lebensperspektive dieser Eltern. Forschung fand bis auf wenige Ausnahmen<br />

ohne Perspektivwechsel sowie ohne Erfahrungen und Einschätzungen betroffener<br />

Menschen statt (vgl. Prangenberg 2008, S. 44f).<br />

Heute zeigt sich das Thema Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung nicht<br />

nur in einem wachsenden Interesse der Medien (vgl. Pixa-Kettner 2008, S. 9), sondern ist<br />

auch ein eigenständiger Forschungsbereich geworden, obwohl die Thematik in Deutschland<br />

noch relativ neu ist. Die negative Grundhaltung dazu hat sich wesentlich geändert.<br />

Jüngste Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen zeigen, dass die Debatten um das<br />

Recht auf Elternschaft geistig behinderter Menschen durch die Lebenswirklichkeit überholt<br />

sind (vgl. Sanders 2007, S. 90).<br />

Die Studie des Bremer Forschungsprojektes der Universität Bremen ist bislang die einzige<br />

größere Untersuchung in Deutschland, welche im Zusammenhang zu Eltern mit geistiger<br />

Behinderung, ihren Kindern und Lebensverhältnissen durchgeführt wurde. Das Forschungsprojekt<br />

wurde 1993 bis 1995 unter der Leitung von Pixa-Kettner, Bargfrede und<br />

Blanken durchgeführt und 1996 unter dem Titel „…dann waren sie sauer auf mich, dass<br />

ich das Kind haben wollte…“ (vgl. Pixa-Kettner/Bargfrede/Blanken 1996) publiziert. Die<br />

Studie gilt als wichtigste Informationsquelle in Deutschland. Insgesamt wurde von 969<br />

Elternschaften mit 1366 Kindern berichtet. Hier zeigte sich, dass Eltern mit geistiger Be-<br />

5 Das ‚Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses’, welches 1934 durch die Nationalsozialisten in Kraft trat, ist zwar<br />

1946 durch den Kontrollrat aufgehoben worden, jedoch wurde die Frage der Zulässigkeit der Sterilisationen danach in den<br />

verschiedenen deutschen Landesteilen unterschiedlich beurteilt. Das heißt, es befand sich bis zur Einführung des neuen Betreuungsrechts<br />

1992 eine Lücke im Gesetz, bei der die rechtliche Zulässigkeit einer Sterilisation von minderjährigen oder einwilligungsunfähigen<br />

Menschen weiterhin unsicher blieb und unterschiedlich eingeschätzt wurde. Das Bundesjustizministerium<br />

schätzte 1987 die Zahl der damit verbundenen Sterilisationen auf ca. 1000 im Jahr. Die Dunkelziffer ist dabei noch nicht mit<br />

eingerechnet (vgl. Onken 2008, S. 51ff).<br />

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