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WENN MAMA UND PAPA ANDERS SIND

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Geistige Behinderung – ein mehrdimensionales und relationales Phänomen<br />

1. Geistige Behinderung – ein mehrdimensionales und relationales Phänomen<br />

Obwohl der Behinderungsbegriff an sich noch sehr jung ist, hat die Behinderung selbst die<br />

Gesellschaft durch alle Kulturen und Generationen begleitet. In der Geschichte der<br />

Menschheit wurde die Situation von Menschen mit Behinderung geprägt von Vorurteilen,<br />

Aberglauben und Ablehnung seitens der Umwelt. Diese Menschen erhielten das Stigma<br />

des „Andersartigen“, „Fremden“ und „Kultisch-Unreinen“ im Zusammenhang mit dem<br />

Ziel, sie aus der Gesellschaft der „Gesunden“ und „Nicht-Behinderten“ zu eliminieren.<br />

Den Höhepunkt dieser Ausgliederungs- und Verfolgungspolitik der Neuzeit bildete das<br />

Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten, bei welchem es aufgrund der Vorstellungen<br />

von eugenischen Theorien 1 zu zahlreichen Zwangssterilisationen 2 und Ermordungen betroffener<br />

Menschen kam. Eine ablehnende Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung<br />

bestand noch Jahrzehnte nach Ende des Dritten Reiches. Erst in den 70er und 80er Jahren<br />

führten konzeptuelle Veränderungen in der Behindertenhilfe zu einem Wandel dieser Einstellung<br />

– einer allmählichen Akzeptanz eines Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit<br />

von Menschen mit Behinderung. Trotz dieses Wandels sind die historischen Auswirkungen<br />

in Form von Vorurteilen und Stigmatisierungen bis heute noch zu beobachten (vgl.<br />

Gellenbeck 2003, S. 34ff).<br />

Spricht man von intellektueller Beeinträchtigung, so ist diese im deutschsprachigen Raum<br />

besser unter dem Terminus „geistige Behinderung“ bekannt (vgl. Pixa-Kettner 2008, S.<br />

13). Dieser steht für einen unklaren, jedoch sehr gebräuchlichen Begriff, der sowohl in<br />

Fachkreisen als auch im Alltagsverständnis zu einer schnellen Verständigung dient. Er ist<br />

äußerst umstritten und man versucht seit Langem einen neuen Ausdruck dafür zu finden,<br />

um zusätzliche Beeinträchtigungen und Stigmatisierungen zu vermeiden. Allerdings liegt<br />

das Problem des Begriffes weniger im Wortinhalt, als vielmehr in seiner sozialen Funktion.<br />

Diese kann dazu führen, dass durch eigene Definitionen und Konstruktionen betroffene<br />

Menschen sozial abgewertet, benachteiligt und ausgeschlossen werden, was sicherlich im<br />

historischen Kontext zu verstehen ist. Bisher wurde allerdings keine Alternativbezeichnung<br />

gefunden, was vermutlich überwiegend an der gesellschaftlich geläufigen Konnotation des<br />

1 Eugenik beschreibt den Ansatz, der die Verbesserung des Erbmaterials einer Person bzw. einer Personengruppe zum Ziel hat.<br />

Als Begründung für diese Vorstellungen diente den Nationalsozialisten vor allem die Darwinsche Evolutionstheorie, nach der<br />

ein natürlicher Ausleseprozess stattfindet. Die Verbesserung des Erbmaterials soll über gezielte Auswahl geeigneter Erbfaktoren<br />

sowie über Verhinderung ‚ungeeigneten’ Erbgutes erfolgen (vgl. Zankl 2008, S. 54).<br />

2 Im ‚Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses’ wurde eine Reihe von so genannten Erbkrankheiten aufgezählt, u. a.<br />

‚Angeborener Schwachsinn’. Eine Sterilisation konnte angeordnet werden, wenn eine hohe ‚Wiederholungsgefahr für das entsprechende<br />

Leiden’ vorhanden war (vgl. Zankl 2008, S. 58f).<br />

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