Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
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I/2002 FLUGSICHERHEIT<br />
menschengerecht nutzen, müssen die<br />
der jeweiligen Situation angemessenen<br />
„Zugangspforten” geöffnet werden,<br />
bevor die Signale der bedrohlichen<br />
Situation einer<br />
Grenzüberschreitung so stark werden,<br />
dass eine Kontrolle kaum noch möglich<br />
ist. <strong>Das</strong> heißt, dass ich mir im klaren<br />
darüber sein muss, was mich<br />
erwarten kann und wie ich darauf zu<br />
reagieren gedenke.<br />
Dabei bedarf es natürlich auch<br />
noch einer zusätzlichen Bewertung<br />
der zu erwartenden Risiken hinsichtlich<br />
ihres Bedrohungsgehaltes, um<br />
auch hier die bedrohlichsten Risiken<br />
zuerst erkennen zu können, bzw. ein<br />
bedrohlicheres Risiko in den Vordergrund<br />
meines Bewusstseins tritt,<br />
sobald es im Raume steht. Es sind also<br />
nicht nur Zugangspforten in inhaltlicher<br />
Sicht, sondern auch noch unter<br />
hierarchischen Gesichtspunkten zu<br />
öffnen.<br />
Aufmerksamkeit ist demnach<br />
niemals umfassend, sondern<br />
immer selektiv – wir sind unser<br />
eigener Regisseur und bestimmen<br />
das Szenario unserer Wahrnehmung<br />
durch die Steuerung<br />
unserer Aufmerksamkeit.<br />
<strong>Das</strong> hört sich alles sehr kompliziert<br />
an, jeder von uns praktiziert dies<br />
jedoch zu jedem Zeitpunkt seines<br />
Verhaltens – leider nicht immer den<br />
Herausforderungen einer Situation<br />
angemessen. Da liegt die eigentliche<br />
Problematik.<br />
Im Folgenden soll, neben den<br />
Fragen, durch was kommt es eigentlich<br />
zu der, gemäß obiger Grafik, wundersamen<br />
Vermehrung an Informationsgehalt<br />
von ≤ 10 2 Bits/sec im<br />
Flaschenhals zu 10 7 Bits/sec, die wir<br />
über Sprache, allgemeine Motorik und<br />
Mimik 11 wieder an unsere Umwelt<br />
abgeben und über welche „kleinen<br />
Helfer in der Not” wir noch verfügen,<br />
weiter nachgegangen werden.<br />
Zunächst zu der Frage, was steuert<br />
unseren Aufmerksamkeitsfokus generell,<br />
ohne unser Zutun, also eher unbewusst?<br />
Aufmerksamkeitssteuerung<br />
Vier Größen 12 nehmen auf den<br />
Kontroll- und Verteilungsprozess der<br />
Aufmerksamkeitskapazität direkten<br />
Einfluss:<br />
Die subjektiv empfundene<br />
Anstrengung.<br />
Je höher die Ablehnung entwickelt<br />
ist, eine bestimmte Handlung<br />
auszuführen, desto schwerer<br />
wird es empfunden, dagegen<br />
anzuarbeiten. Hier im Konkreten,<br />
Aufmerksamkeit für etwas zu<br />
verwenden, was einem unwichtig,<br />
oder abwegig, aber auch<br />
nicht wünschenswert erscheint.<br />
Die noch vorhandene Kapazität.<br />
Aufmerksamkeit bedient sich<br />
einer Verteilungsinstanz der Kontrolle<br />
und flexiblen Verteilung der<br />
Ressourcen. Jedoch nur jener Ressourcen,<br />
die (noch) vorhanden<br />
sind<br />
Überdauernde Einstellungen.<br />
Schnellbewertungen, die nicht<br />
durch systematische Analyse,<br />
sondern über die individuelle Einstellungen<br />
und deshalb prinzipiell<br />
vorgenommen werden, führen<br />
zu einer sehr auswählenden,<br />
Abweichendes ignorierenden<br />
Aufmerksamkeitszuwendung.<br />
Dabei kann leichtfertig wichtiges<br />
Feedback ignoriert werden.<br />
Momentane Ziele.<br />
Objekte und Vorgänge im weiteren<br />
Sinne, die der eigenen Zielerreichung<br />
dienen, werden vorrangig<br />
mit Aufmerksamkeit bedacht.<br />
Dabei kann es zu einem<br />
Zielkonflikt kommen, bei dem<br />
eine mögliche Fernwirkung, z.B.<br />
„wie sage ich es meinem Vorgesetzten?”<br />
wichtiger wird, als die<br />
Beantwortung der Frage: „was ist<br />
sachlich jetzt notwendig?”.<br />
Damit wird die einmal aktivierbare<br />
Ressource „Analysefähigkeit”<br />
für Inhalte verbraucht, die in der<br />
momentanen, vielleicht lebensbedrohenden,<br />
Situation vermutlich<br />
relativ unwichtig sind.<br />
Aus dieser Aufstellung wird deutlich,<br />
dass auch die Aufmerksamkeit,<br />
gerade weil sie in der Lage ist, in groben<br />
Kategorien die Hinwendung einer<br />
Person zu einem Problemfeld zu<br />
beeinflussen, in der Lage ist, das Überleben<br />
unter komplexen Bedingungen<br />
zu ermöglichen.<br />
In Situationen realer Bedrohung,<br />
aber auch potentieller Gefährdung,<br />
kommt es jedoch darauf an,<br />
sich nicht treiben zu lassen,<br />
sich nicht momentanen Bedürfnissen<br />
uneingeschränkt hinzugeben,<br />
nicht Vorurteile zu pflegen, oder<br />
nicht einer unangemessenen<br />
„Normentreue” 13 verhaftet zu<br />
sein.<br />
Es kommt also darauf an, Aufmerksamkeit<br />
dorthin zu steuern, wo der<br />
Brennpunkt des uns Grenzen aufzeigenden<br />
Geschehens liegt. <strong>Das</strong> kann,<br />
wie bereits erwähnt, unbewusst und<br />
auch bewusst geschehen.<br />
Unbewusste<br />
Aufmerksamkeit<br />
Der wesentlich größere Teil der<br />
Aufmerksamkeitsdiskussion müsste<br />
der unbewussten Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden, wenn die Menge<br />
an Aufmerksamkeitsvorgängen der<br />
Maßstab wäre.<br />
Alle verhaltensbezogenen Automatismen<br />
werden durch unbewusste<br />
Aufmerksamkeit kontrolliert und ausgelöst.<br />
Unser waches Bewusstsein<br />
könnte die Datenflut nicht verwalten,<br />
ohne hoffnungslos ins Hintertreffen zu<br />
geraten. Insofern ist unbewusste Aufmerksamkeit<br />
unabdingbar für die<br />
Ausführung komplexer Handlungen.<br />
Sie funktioniert, vereinfacht ausgedrückt,<br />
indem Soll-Ist-Vergleiche unterhalb<br />
der Ebene wacher Bewusstheit<br />
stattfinden. <strong>Das</strong> muss erklärt werden.<br />
Aus Erfahrungen ehemaliger Lernprozesse<br />
wurden Umrissschablonen<br />
des substantiellen Gehalts des Gelern-<br />
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