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Das Wahrnehmungs - Luftwaffe

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kommnis ausgehend, der Weg des<br />

Geschehens auf der Zeitschiene rückwärts<br />

verfolgt wird, bis die erste bzw.<br />

früheste Abweichung von der Norm<br />

identifiziert worden ist, die das Geschehen<br />

entweder ausgelöst, oder die<br />

Auslösung wesentlich beeinflusst hat.<br />

Es geht darum, ein Ursachen- Wirkgefüge<br />

aufzubauen, welches möglichst<br />

präzise darstellt, was passiert ist.<br />

Es ist eine Diskussion wert, darüber<br />

nachzudenken, ob bei einer Darstellung<br />

des „Was“ hinreichende Grundlagen<br />

gelegt werden, um<br />

1. das Geschehene umfassend nachvollziehen<br />

zu können und<br />

2. daraus angemessene Verhütungsarbeit<br />

ableiten zu können.<br />

Auch bei einer lückenlosen und<br />

umfassenden Darstellung des „Was“<br />

bleibt die Frage nach dem „Warum“<br />

der individuellen Bewertung eines<br />

jeden Einzelnen, der das Dargestellte<br />

liest, ausgeliefert. Es wird dann vermutlich<br />

so viele individuelle „Warums”<br />

geben, wie es Leser dieses zum Vorkommnis<br />

angefertigten Berichts gibt 5 .<br />

Jedes interessierte Gehirn duldet zu<br />

keinem Sachverhalt Lücken. Lässt das<br />

Geschilderte Lücken, insbesondere zu<br />

den Fragen des „Warum“, so werden<br />

diese von der Vorstellungskraft des<br />

Einzelnen aufgefüllt und so weit interpretiert,<br />

bis das Geschehene in das<br />

Weltbild des Betrachters passt; er sich<br />

also das Geschehene für ihn plausibel<br />

erklären kann 6 – daraus entstehen<br />

dann Ideen für Verhütungsarbeit. Ob<br />

diese Ideen dann sachgerecht und hilfreich<br />

sind, bleibt fraglich.<br />

I/2002 FLUGSICHERHEIT<br />

Die Frage des „Warum“<br />

muss also geklärt werden –<br />

aber welches „Warum“ ist<br />

hier von Bedeutung? Sicherlich<br />

nicht jenes „Warum“:<br />

„was geschah vorher?”.<br />

Ein Beispiel soll das Problem<br />

verdeutlichen:<br />

Ein Hubschrauber bei<br />

Nacht unter BiV, stößt beinahe<br />

mit einem anderen<br />

Hubschrauber unter BiV in<br />

der Platzrunde zusammen.<br />

Dies konnte geschehen, weil:<br />

ein Lfz die Platzrunde kreuzte, das<br />

andere Lfz sich zur gleichen Zeit am<br />

gleichen Ort im Gegenanflug der<br />

Platzrunde befand, die unterschiedlichen<br />

Startzeiten am gemeinsam genutzten<br />

Heimatflugplatz durch die<br />

unterschiedlich langen Wegstrecken<br />

bis zum „Treffpunkt” kompensiert<br />

wurden, jede Besatzung glaubte, die<br />

jeweils andere sei woanders, der TWR-<br />

Controller die beiden Lfz in unterschiedlichen<br />

Platzrunden wähnte, das<br />

Briefing diesen Konfliktpunkt nicht<br />

identifizierte, die SOP ein<br />

Kreuzen von Flugwegen in<br />

der Platzrund zuließ.<br />

Obwohl in dieser Darstellung<br />

aus dem realen<br />

Zwischenfallgeschehen alle<br />

wesentlichen Kausalzusammenhänge<br />

geschildert wurden,<br />

spürt jeder Leser, dass<br />

irgendwie Entscheidendes<br />

fehlt.<br />

Irgendwie hört man die Nachricht<br />

wohl, versteht und begreift jedoch<br />

nicht das Vorkommnis, weil bestimmte<br />

Zusatzinformationen fehlen. Manch<br />

einer spürt vielleicht sogar den erfolglosen<br />

Suchvorgang in seinem Langzeitspeicher<br />

nach vergleichbaren Modellen<br />

mit anhaftenden vergleichbaren<br />

Erklärungen – Unruhe bricht aus, es<br />

drängt nach weiteren Erklärungen.<br />

Um diesem Phänomen auf den<br />

Grund gehen zu können, eine auf den<br />

ersten Blick provozierende und abwegig<br />

klingende Frage:<br />

„Was ist eigentlich bei der<br />

Betrachtung eines Sachverhalts, der<br />

mit menschlichem Verhalten in Verbindung<br />

gebracht wird, mit den<br />

Faktoren, die aus der Zukunft gewirkt<br />

haben?” Eine solche Frage löst im allgemeinen<br />

Verwunderung aus und<br />

muss erklärt werden.<br />

Jeder, der schon mal eine größere<br />

Anschaffung getätigt hat, wurde von<br />

Faktoren aus der Zukunft bestimmt.<br />

Der Kauf eines Hauses z.B. zu einem<br />

bestimmten, in der Zukunft liegenden<br />

Termin, macht es in aller Regel erforderlich,<br />

zu einem Zeitpunkt, der deutlich<br />

vor diesem Ereignis liegt, ein vertrauensvolles<br />

Gespräch mit der Bank<br />

hinsichtlich der Finanzierung zu<br />

führen. Somit hat ein geplantes<br />

Vorhaben früheres Verhalten ganz<br />

konkret bestimmt – ein Faktor aus der<br />

Zukunft hat Verhalten ausgelöst.<br />

Anders ausgedrückt, das Motiv, die<br />

Zukunft zu gestalten, in diesem Falle<br />

der Bau eines Hauses, hat das Heute<br />

und Jetzt bestimmt; das „Warum“ für<br />

das heutige Verhalten wird nun schlüssig<br />

erklärbar und verstehbar.<br />

Ergo: Motive wirken aus der<br />

Zukunft!<br />

Der zweite Teil der Wahrheit ist also<br />

neben der lückenlosen Aufklärung des<br />

„Was“, die möglichst lückenlose Aufklärung<br />

des „Warum“, also die lückenlose<br />

Aufklärung der Motive für<br />

ein konkretes Verhalten.<br />

Weil Motive aus der Zukunft auf<br />

momentanes Verhalten wirken, sind<br />

sie die zweite Seite derselben Medaille,<br />

die es für die Darstellung dessen, was<br />

geschehen ist, aufzuklären gilt. Dies ist<br />

fraglos schwierig und bleibt sicherlich<br />

in gewisser Weise angreifbar. Es führt<br />

jedoch kein Weg daran vorbei, will<br />

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