Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
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Ebene. Manche Entscheidungen stehen<br />
einem in der Hierarchie weiter<br />
unten Stehenden nicht zu. Vor allem<br />
auch deshalb, weil die Verantwortung<br />
für die Folgen von Entscheidungen<br />
großer Tragweite von einem Einzelnen<br />
der durchführenden Ebene nicht übernommen<br />
werden kann, wenn das<br />
Risiko wegen des zu erwartende<br />
Schadens bei hoher Eintreffwahrscheinlichkeit<br />
hoch ist. Solche Entscheidungen<br />
gehören auf die entsprechende<br />
Ebene 22 .<br />
Natürlich gibt es gerade im Flugbetrieb<br />
Ereignisse, in denen nicht lange<br />
nachgefragt werden kann, weil die<br />
Situation dies nicht zulässt – man<br />
denke nur an eine Luftnotlage. In solchen<br />
akuten Fällen ist, nach erfolgter<br />
Analyse, nur selten Verantwortung<br />
nach obiger Definition zu übernehmen,<br />
sofern bekannte Verfahren richtig<br />
angewendet wurden, weil Entscheidungs-<br />
und Kontrollspielraum<br />
kaum noch gegeben war. Gott sei<br />
Dank ist es so, dass diese Ereignisse,<br />
gemessen am flugbetrieblichen Gesamtaufkommen,<br />
relativ selten vorkommen<br />
und wenn ja, relativ schadlos<br />
ablaufen.<br />
Doch wie sieht es mit Verantwortung<br />
im Vorfeld zu diesen Konstellationen<br />
aus, wenn noch, je nach Ereignis,<br />
Entscheidungs- und Kontrollspielraum<br />
für alternative Entscheidungen möglich<br />
gewesen wäre?<br />
Handlungsverantwortung für falsche<br />
Entscheidungen anderer? 23<br />
Beispiel 1 (zur Verdeutlichung bewusst<br />
übertrieben):<br />
Der Kommandant beschließt,<br />
ohne die Steuerführung zu haben,<br />
nach seinem Start in Köln –<br />
Bonn in Richtung Nordwest, bei<br />
guten Wetterverhältnissen zwischen<br />
den Pfeilern der Severinsbrücke<br />
Köln hindurch fliegen zu<br />
lassen.<br />
Sofern der Steuerführende LFF erkennen<br />
kann, dass es sich bei dieser<br />
Anordnung um das Ergebnis einer<br />
offenkundig nicht angemessene Entscheidung<br />
eines anderen handelt, die<br />
er auszuführen hat, trägt er Verantwortung<br />
für die Auswirkungen seines<br />
eigenen Handelns, weil er den Kontroll-<br />
und Entscheidungsspielraum des<br />
anderen widerspruchslos hingenommen<br />
24 , quasi sich zu eigen gemacht<br />
habt.<br />
Kann der LFF dieses jedoch im Vorfeld<br />
nicht erkennen, so trägt er auch<br />
keine Verantwortung für eine falsche<br />
Entscheidung, auch wenn er den ihm<br />
verbleibenden Handlungsspielraum im<br />
Rahmen der zugewiesenen Tätigkeiten<br />
nutzt.<br />
Dazu Beispiel 2:<br />
Der neue / junge SAR-Pilot fliegt<br />
den Landeplatz an, weiß dass es<br />
„eng“ wird, fragt die Hindernisfreiheit<br />
ab, bekommt von links<br />
und hinten „Klarmeldung“ und<br />
hört die Aufforderung „ jetzt<br />
´runter!“. Auf der linken Seite,<br />
für ihn nicht einsehbar, ein<br />
Kiesbett neben einem Parkplatz,<br />
mehrere Autos werden „sandgestrahlt“.<br />
Es gilt also:<br />
Der Handelnde trägt für Entscheidungen<br />
anderer dann Verantwortung<br />
mit, wenn er diese Entscheidung<br />
kritiklos hingenommen<br />
hat und umsetzt, obwohl er die<br />
Fragwürdigkeit der Entscheidung<br />
erkannt hatte.<br />
Führungsverantwortung für<br />
falsche Handlungen?<br />
Beispiel 3:<br />
Ein LFF, von dem der vwt LFF<br />
weiß, dass er alle geforderten<br />
Verfahren beherrscht, produziert<br />
eine „harte Landung“, ohne<br />
dass er noch rechtzeitig eingreiffen<br />
konnte.<br />
Beispiel 4:<br />
Die Besatzung landet im Schnee,<br />
die Schneewalze kommt und<br />
der LFF meldet: „ich sehe nichts<br />
mehr“. Der vwt LFF sagt: „nur<br />
die Ruhe, der Boden kommt von<br />
selbst“. Die Limitations werden<br />
überschritten, das Landegestell /<br />
Fahrwerk wird beschädigt.<br />
In beiden Fällen muss geprüft werden,<br />
ob der vwt LFF hätte erkennen<br />
können, dass der Handlungsspielraum<br />
des LFF für das Vorhaben einer sicheren<br />
Landung nicht ausreicht.<br />
Nur für den Fall, dass diese Frage<br />
mit „Ja“ beantwortet wird, ist der Führungsverantwortliche<br />
für die Handlung<br />
des anderen mitverantwortlich.<br />
Es gilt also:<br />
Jeder Führungsverantwortliche<br />
muss sich der Frage stellen, nachdem<br />
die Auftragsausführung eines<br />
anderen einen Schaden oder eine<br />
Gefährdung bewirkt hatte, ob er,<br />
der Führungsverantwortliche, hätte<br />
erkennen können, dass die<br />
Freiheitsgrade und die Kontrolle<br />
des Auftragsausführenden für eine<br />
ordnungsgemäße Durchführung<br />
nur bedingt vorhanden waren.<br />
Lösungsansätze<br />
Verantwortung zu übernehmen will<br />
gelernt sein!<br />
Verantwortung in einem fliegerischen<br />
Umfeld zu übernehmen, will<br />
neu gelernt sein, denn:<br />
die Dynamik der Ereignisse,<br />
die Komplexität der Zusammenhänge,<br />
der stets im Hintergrund stehende,<br />
maximal mögliche Schadensfall<br />
für direkt Agierende, Passagiere<br />
und Außenstehende,<br />
unterscheiden Verantwortung für<br />
ein fliegerisches Umfeld prinzipiell von<br />
anderen Bereichen, in denen Entscheidungen<br />
zu treffen sind. Deshalb ist es<br />
erforderlich eine Auseinandersetzung<br />
mit den Fragen nach Verantwortung,<br />
die diesen Besonderheiten zusätzlich<br />
angepasst ist, voranzutreiben.<br />
Was soll damit gesagt werden?<br />
Obwohl alle LFF und andere Besatzungsangehörige<br />
der Bundeswehr<br />
allgemeinmilitärisch und fachspezifisch<br />
gut ausgebildet worden sind, stellt sich<br />
natürlich regelmäßig die Frage nach<br />
fortgesetzter Aus- und Weiterbildung,<br />
denn:<br />
alte Ausbildungen liegen lange<br />
zurück, sie verblassen,<br />
62 I/2002 FLUGSICHERHEIT