Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
lage 12 , können für uns ein erstes sicheres<br />
Zeichen dafür sein, dass Aktivation<br />
13 den Bereich des Optimums zu<br />
verlassen droht und danach „alles sehr<br />
schnell gehen kann 14 “.<br />
Als Beispiel dafür soll folgendes<br />
Ereignis aus der Wirklichkeit beschrieben<br />
werden:<br />
Eine Lfz-Besatzung wird enroute<br />
über HF angesprochen, der vwt LFF<br />
möge den Gefechtstand in einer dringenden<br />
Angelegenheit nach der nächsten<br />
Landung anrufen. Auf Nachfrage,<br />
um was es denn ginge wurde mitgeteilt,<br />
dass man das über Funk nicht<br />
sagen könne.<br />
Im Cockpit wurde für den Rest des<br />
Fluges kein Wort mehr gesprochen,<br />
weil der vwt LFF das Schlimmste aus<br />
seinem Privatbereich befürchtete. Tatsache<br />
war, dass technisches Personal<br />
am Heimatflugplatz noch eine Frage<br />
zu einer vorausgegangenen technischen<br />
Störung klären wollte, die mit<br />
dem aktuellen Flug nichts zu tun<br />
hatte 15 .<br />
Es bleibt der Spekulation jedes<br />
Einzelnen überlassen, wie viel zusätzliche<br />
Belastung diese Besatzung in der<br />
beschriebenen Situation noch hätte<br />
kontrollieren können.<br />
I/2002 FLUGSICHERHEIT<br />
In einem Umfeld, in dem verbale<br />
Kommunikation das tragende Element<br />
zwischenmenschlicher Informationsverarbeitung<br />
ist, muss alles dafür<br />
getan werden, dass dieser „Flaschenhals“<br />
niemals verstopft. Gleichzeitig<br />
kann aufmerksame Selbstbeobachtung,<br />
aber auch die bewusste Wahrnehmung<br />
des anderen Besatzungsangehörigen,<br />
Aussage darüber treffen,<br />
wie stark eine momentane Belastung<br />
wirklich empfunden wird. Auch hier<br />
können bestimmte Strukturen, über<br />
die noch zu reden sein wird, in der Not<br />
helfen.<br />
Betriebssprache<br />
Betriebssprachen, oder auch Fachsprachen,<br />
prägen Kommunikation der<br />
modernen Zeit, weil der technische<br />
Fortschritt dies erforderlich gemacht<br />
hat. Lfz-Besatzungen bedienen sich<br />
einer Betriebssprache, weil sie komplexe<br />
Sachverhalte am besten beschreiben,<br />
konkrete Handlungen abrufen<br />
und Betriebszustände präzise beschreiben<br />
kann.<br />
Während in den Teilstreitkräften<br />
<strong>Luftwaffe</strong> und Marine eine Betriebssprache<br />
Luftfahrzeugmuster bezogen<br />
existiert und standardisiert angewendet<br />
wird, ist diese beim Heer nur auf<br />
einige Einsatzarten beschränkt, wie<br />
zum Beispiel: Feuerkampf des Panzerabwehrhubschraubers<br />
(PAH), Gebirgsflug<br />
oder Fliegen mit Bildverstärkerbrille<br />
(BIV) 16 .<br />
An eine Betriebssprache sind besondere<br />
Anforderungen zu stellen,<br />
damit diese auch gut und sachgerecht<br />
funktionieren kann.<br />
Standards mit:<br />
korrekter Begriffsbelegung, die keinen<br />
Zweifel daran lässt, was gemeint<br />
ist.<br />
Standardisierte Arbeitsabläufe,<br />
die allen Besatzungsangehörigen bekannt<br />
und vertraut sind, um auch das<br />
zu bewirken, was bewirkt werden soll.<br />
Check-/Recheckverfahren, die<br />
sicherstellen, dass die komplette Besatzung<br />
den gleichen Plan verfolgt<br />
und dabei Fehlentscheidungen und<br />
unsachgemäße Handlungen sofort<br />
erkannt und somit korrigiert werden<br />
können.<br />
Reversibilität<br />
die es ermöglicht, auch bei einem starken<br />
hierarchischen Gefälle 17 innerhalb<br />
der Besatzung, eine Anweisung zu<br />
einem bestimmten Verhalten per „Call<br />
Out“ unbefangen einzubringen, ohne<br />
sich Sorgen machen zu müssen, wie<br />
dies unter der Erwartungshaltung<br />
eines nach „oben“ gerichteten Respekts<br />
ankommt.<br />
Dadurch kann erreicht werden,<br />
dass, unabhängig von der momentanen<br />
Aufgabenverteilung an Bord<br />
(PF/PNF), jeder, allein aus seiner ausgeübten<br />
Tätigkeit heraus, Betriebssprache<br />
gut, sachgerecht und frei von<br />
der Sorge möglicher Sanktionen anwendet.<br />
Stressresistenz wird ermöglicht<br />
durch:<br />
Trainierte Standards, bei denen alle<br />
Arbeitsabläufe bekannt sind und<br />
nichts vergessen wird, ein Komplex<br />
nach dem anderen, je nach Priorität,<br />
abgearbeitet wird und keine Unterbrechung<br />
oder Ablenkung zugelassen<br />
wird.<br />
Optimierte Arbeitsabläufe, bei<br />
denen keiner überlastet, jeder beschäftigt,<br />
jeder wichtig ist.<br />
Standardisierte Call-Outs, die<br />
definierte Situationen mit „Keywords“<br />
und „Keyphrases“ 18 belegen und<br />
nicht länger als ca. zwei Sekunden sein<br />
sollten. Bestätigung, Ausführung und<br />
erneute Statusmeldung runden das<br />
Verfahren ab.<br />
Unstrittig ist dabei auch, dass zwischen<br />
den Phasen erhöhter Arbeitsund<br />
Entscheidungsdichte „normale /<br />
natürliche“ Sprache allgemeine soziale<br />
Wahrnehmung erleichtert und am<br />
besten dazu taugt, ein positives Klima<br />
an Bord zu schaffen. Hier liegt die<br />
Lösung nicht, wie so oft, in der Mitte.<br />
Mit ein bisschen von diesem und ein<br />
bisschen von jenem wird der babylonischen<br />
Sprachverwirrung nur noch<br />
mehr Vorschub geleistet.<br />
33