Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
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man gute Verhütungsarbeit leisten, die<br />
an den treibenden Stellen ansetzt.<br />
<strong>Das</strong> weiter oben geschilderte<br />
Beispiel des Beinahezusammenstoßes<br />
zweier Hubschrauber in der Platzrunde,<br />
der an dieser Stelle in der<br />
Schilderung fortgeführt werden müsste,<br />
kann noch nicht abschließend<br />
unter dem Aspekt der Motive bewertet<br />
werden, weil die Untersuchungen<br />
noch nicht abgeschlossen sind. <strong>Das</strong><br />
wird dem noch zu publizierenden Zwischenfallbericht<br />
vorbehalten bleiben.<br />
Motive sind Begründungen für<br />
Verhalten. Deshalb ist es so wichtig,<br />
auch über diese Aspekte menschlich<br />
normalen Verhaltens nachzudenken,<br />
um einige typische, für uns relevante<br />
Motive unseres fliegerischen Umfeldes<br />
herauszuarbeiten, damit das<br />
Unerklärliche vielleicht leichter erklärbar<br />
und dadurch begreifbar wird.<br />
Ein Überblick<br />
Seit mehr als 100 Jahren beschäftigt<br />
sich die moderne Wissenschaft mit<br />
den Fragen zur Begründung von<br />
menschlichem Verhalten. Es gab verschiedene<br />
Grundrichtungen, die<br />
unterschiedliche Ansätze verfolgten<br />
und jeweils anderen Aspekten Vorrang<br />
an Bedeutung einräumten. Hier einige<br />
wichtige Richtungen, die den meisten<br />
Lesern bekannt sind:<br />
Instinkte – als naturgegebener<br />
Antrieb.<br />
Triebe – als Kraftzentren innerhalb<br />
einer Person, die aus sich<br />
selbst heraus aktiv werden können<br />
und schwer kontrollierbar<br />
sind.<br />
Feldtheorie – als Modell, welches<br />
menschliches Verhalten als Ergebnis<br />
eines Entwicklungsprozesses<br />
in der Auseinandersetzung<br />
zwischen einer Person und der<br />
Umwelt und den daraus entstehenden<br />
Bedürfnissen sieht.<br />
Die maslowsche Bedürfnispyramide<br />
mit ihrer Beschreibung von<br />
Grundbedürfnissen bis hin zur<br />
Selbstverwirklichung von Menschen.<br />
All diesen Theorien liegt die gleiche<br />
Annahme zu Grunde, dass sich der<br />
Mensch so verhält, dass ein mehr oder<br />
weniger bewusster Mangel ausgeglichen<br />
werden kann 7 . Wird der Mangelzustand<br />
des Organismus beseitigt, ist<br />
das Motiv beseitigt 8 .<br />
Diese Theorien sollen hier nicht weiter<br />
vertieft werden, weil das den<br />
Rahmen sprengen würde, zumal zu<br />
diesen Themen detailliert nachgelesen<br />
werden kann und innerhalb der<br />
Bundeswehr auch diesbezüglich genügend<br />
inhaltliche Ausbildung erfolgt.<br />
Modernere Sichtweisen<br />
In den vergangenen 20 Jahren haben<br />
sich zunehmend Einsichten durchgesetzt,<br />
die nicht mehr davon ausgehen,<br />
dass Verhalten eine Reaktion auf<br />
eine objektive Situation ist, sonder Ergebnis<br />
der Wahrnehmung einer Situation<br />
(kognitive Repräsentation) und<br />
der daraus entstehenden Reaktion.<br />
Aus dem Gesamtkomplex werden<br />
nun das Anschlussmotiv, das Machtmotiv<br />
und das Leistungsmotiv als ausgewählte<br />
Motive herausgestellt, weil<br />
diese eine stark ausgeprägte und<br />
unmittelbare, kombinierte Wirkung<br />
auf menschliches Verhalten ausüben<br />
und, je nach Ausprägungsgrad, mit<br />
Führung und Flugbetrieb nicht immer<br />
vereinbar sind.<br />
<strong>Das</strong> Anschlussmotiv<br />
Der Mensch ist unbestritten ein<br />
soziales Wesen und nur in der Gemeinschaft<br />
überlebensfähig 9 . Jeder<br />
erwachsene Mensch gehört zu einer<br />
sozial engeren Gemeinschaft mitdurchschnittlicher<br />
Bandbreite von ca.<br />
20 bis 50 Personen. In dieser Gemeinschaft<br />
hat jeder Einzelne seinen Platz<br />
und jeder nimmt seine (unausgesprochen)<br />
zugewiesene Rolle war – man<br />
fühlt sich aufgehoben, wohl und<br />
sicher. Da der Einzelne sein engeres<br />
soziales Umfeld, in dem er aufgehen<br />
möchte, in der Regel weitestgehend<br />
selbst aussucht, ist jenes ausgewählte<br />
Umfeld geeignet, sich im vorgegebenen<br />
Rahmen frei zu entfalten und<br />
einen Teil Selbstverwirklichung zu betreiben.<br />
Der Drang, einer sozialen<br />
Gruppierung anzugehören, ist außerordentlich<br />
stark und fast triebhaft ausgeprägt.<br />
Nicht jeder Vorstoß eines Anschlusssuchenden<br />
wird mit der bereitwilligen<br />
Akzeptanz der Anschlussperson<br />
belohnt; dafür müssen Bedingungen<br />
erfüllt werden. Zum einen<br />
muss der Anschlusssuchende seinen<br />
Kontaktwunsch wahrnehmbar zu<br />
erkennen geben, zum anderen muss<br />
er in den Augen der Anschlussperson<br />
attraktiv erscheinen. Es muss deutlich<br />
werden, dass beide beteiligten<br />
Personen den jeweils anderen als<br />
gleichberechtigten Partner sehen 10 .<br />
Gelingt dies nicht, kann kein Anschluss<br />
entstehen.<br />
Die allgemeine Lebenserfahrung<br />
lehrt jedoch, dass Anschluss nicht immer<br />
gelingt, obwohl sozialer Anschluss<br />
für das seelische Gleichgewicht, in<br />
Extremfällen sogar für das Überleben,<br />
wichtig ist. Aus diesem Grund wird<br />
jeder Anschlussversuch von der „Hoffnung<br />
auf Anschluss” und gleichzeitig<br />
von der „Furcht vor Zurückweisung”<br />
begleitet.<br />
<strong>Das</strong> Anschlussmotiv ist das im<br />
Vergleich am stärksten ausgeprägte<br />
Motiv des Menschen. Es wird viel<br />
daran gesetzt, um einer Gruppierung<br />
anzugehören, auch im Umfeld eines<br />
Verbandes bzw. einer Staffel.<br />
Jeder neu zuversetzte Besatzungsangehörige<br />
wird es früher öder später<br />
versuchen, sich einer ihm genehmen,<br />
informellen Gruppe anzuschließen, die<br />
seinen Bedürfnissen entspricht. Dabei<br />
spielen Alter, Hobbies, Geisteshaltung,<br />
aber auch fliegerisches Können und<br />
Erfahrung eine Rolle.<br />
Der fliegerischen „Spitze” angehören<br />
zu wollen, ist ein Antrieb, dem<br />
jeder Besatzungsangehörige in unterschiedlicher<br />
Ausprägung unterliegt.<br />
Rückt dieses angestrebte Leistungsprofil<br />
durch erbrachte fliegerische Leistung<br />
in erreichbare Nähe und wird<br />
dies von den „alten Hasen” auch so<br />
52 I/2002 FLUGSICHERHEIT